Lyrik und Gedichte

Warum ich als 50 Jähriger aus dem Fenster stieg und Gedichte schrieb …

 

Ich habe eigentlich schon sehr, sehr lange nach einer adäquaten künstlerischen Ausdrucksform meiner Kreativität, Gefühle und Gedanken gesucht. Ich galt in der Schule als ein begabter Maler aber ich traute mir nie zu, auf diesem Gebiet etwas Außergewöhnliches zu leisten. Außerdem war es immer ein Problem, Ruhe und Muße zum Malen zu finden. Schon der Aufwand, das Malzeug herzuräumen und dann noch eine Idee zu finden, ganz zu schweigen von Planung, der technischen Umsetzung und der benötigten Zeit und Ruhe…

Auch die Musik sprach mich immer sehr an. In der Studentenzeit spielte ich einer Punkband und einer sehr lauten anarchischen Independent-Gruppe. Erst vor ein paar Jahren begann ich dann ernsthaft Klavier zu lernen. Ich liebe dieses Instrument und das Spielen darauf, die Momente des Versinkens im Spiel, aber es bietet nur eine bedingte Möglichkeit des Selbstausdrucks, weil ich dazu weder singen kann, noch eigene Stücke komponieren.
Ich hatte auch immer schon ein großes Faible für Lyrik. Ich habe zwar, als Schüler schon Gedichtbände (etwa von Trakl) gelesen – aber dazu und auch zu klassischen oder formalen Gedichten nur sehr wenig Zugang gewonnen. Was mich dagegen sehr berührt und tief beeindruckt hat, war die Lyrik von Musikern wie Konstantin Wecker, Arik Brauer oder Willy Michl (z.B.: Wer is mei Wind oder Blues goes to mountain). Das waren vor allem Liedtexte, aber mich beeindruckten die Möglichkeiten und Fähigkeiten so mit Worten zu arbeiten, der Witz, die Eleganz und die enormen Ausdrucksmöglichkeiten. Dazu kamen später vor allem Texte von Bands wie The Who, den Einstürzenden Neubauten oder den Melvins. Meines Erachtens ist der englische Ausdruck Lyrics ein viel passenderer als das deutsche (Lied-)Texte.

Eine wichtige Rolle spielt, dass ich vor gut zehn Jahren begann, abstrakte Kunst zu schätzen und in diese Richtung zu experimentieren. Mich faszinierte dabei die Entdeckung, dass es sehr befreiend sein kann keinen festen Vorgaben und Formen zu folgen oder diese anzustreben. Das Abstrakte ist viel offener, spielerischer und bietet vor allem die Möglichkeit sich vom Werden des Werkes leiten zu lassen, der Entwicklung des Bildes gespannt Schritt für Schritt zu folgen, zu sehen wo man hingelangt und was man darin entdeckt. Es bietet viel mehr Raum für Spontaneität. Dabei entsteht oft etwas, was sehr authentisch ist und gleichzeitig eine große Spielwiese und Projektionsfläche darstellt.

Und so, gelöst von formalen Zwängen, schrieb ich dann tatsächlich einmal ein Gedicht, es war „Grau“ und mein Versuch, ein Novemberbild, wie ich es oft sah, wenn ich über die Felder fuhr, einzufangen und in Worte zu fassen. Minimalistisch, die Worte bewusst gesetzt und ohne äußere Form. Mir gefiel das Resultat sehr gut und nun begann ich, Gedicht für Gedicht zu schreiben – so wie es aus mir herauskam – ohne Anspruch auf Stil und Schliff – das Spiel mit Worten, mit Eindrücken und Empfindungen. Mir machte das Schreiben zunehmend Spaß und ich begann zunehmend damit zu experimentieren und gewann so ein schließlich Feld, in dem ich meine Kreativität im mir möglichen Rahmen ausleben konnte…

So bietet die Lyrik mir sowohl gute Möglichkeiten, meine Vorlieben für traumartige surrealistische, kafkaeske und bizarre Momente darzustellen, wie meine ästhetischen Empfindungen auszudrücken.

Der große Vorteil beim Schreiben von Gedichten ist der, dass oft nur Minuten dazu reichen – wenn man eine Idee hat. Wenn man nicht weiterkommt, kann man einen Satz, einen Gedanken abspeichern und ihn später nochmal betrachten. Ich finde es sehr spannend, einfach ein Motiv zu haben, daran weiter zu schreiben und zu sehen, worauf es hinausläuft, welchen Bogen und welche Wendungen es nimmt. Im Vergleich zur darstellenden Kunst ist es auch möglich, einen Eindruck, eine Stimmung oder einen Gedanken sehr viel unmittelbarer und gezielter auszudrücken und man muss nicht gleich ein großes, stimmiges Gesamtwerk schaffen, sondern nur eine Miniatur, eine Momentaufnahme.

Und so begann ich, als Fünfzigjähriger aus dem Fenster, meines Schneckenhauses zu steigen und zu schreiben … und es macht mir große Freude!

Ich wünsche mir und ihnen als Leser, dass sie in diesem Buch einiges finden können, was ihre Gefühle und Stimmungen – helle wie dunkle anspricht, sie berührt oder in die Welten zwischen Es und Überich entführt. Dass sie ihnen gefallen und bereichern.

Ansichten eines Fisches – Gedichte

Postscriptum Neue Gedichte

Lorenz Scheck

Lyrik im Bild