Der Hubsi, die Greta und das Elend der Linken

„Papa, Papa, ich will Politiker werden!“ „Was willst du? Hast du denn überhaupt schon mal ein paar Hakenkreuze in die Schultoilette geschmiert oder einen Judenwitz gemacht?“ „Nein, das ist doch böse!“ „Ja, aber wie willst du denn sonst die entscheidenden fünf Prozent gewinnen, wenn mal einer eine Schmutzkampagne gegen dich fährst?!“  So oder so ähnlich werden in Zukunft wohl die pädagogischen Gespräche in deutschen Haushalten geführt. Vielleicht hat der eine oder andere nicht gleich einen Bezug, aber es geht hier um den Fall Hubert („Hubsi“) Aiwanger, sein Naziflugblatt, die angebliche Schmutzkampagne (was ist hier eigentlich der „Schmutz“ – die Kampagne oder der Inhalt des Flugblattes) und die Reaktion der Wähler bei den Wahlumfragen – plötzlich 4 Prozent mehr.

Wieder so etwas, was mir nicht in den Kopf gehen will! Was veranlasst Wähler sich mit so einem Menschen zu solidarisieren? Ist es möglicherweise so, dass Menschen das Verhalten von Aiwanger zwar nicht gut finden, sich aber mit ihm identifizieren können?  In dem Sinne, dass ja alle diese Menschen sich als fehlerhaft wahrnehmen und deshalb selber Angst vor der öffentlichen Bloßstellung durch „Linke“ haben, weil sie deren moralischen Maßstäben nicht genügen können oder wollen. Weil sie etwa immer schon das N-Wort benutzt haben, so wie es in Bayern lange üblich war – ohne weitergehende Hintergedanken? Oder weil sie nach Amerika geflogen sind und nicht CO2 freundlicher gereist sind? Oder einfach, weil sie gerne Schweinsbraten und Würste essen – ohne deswegen moralisch verurteilt werden zu wollen, weil die CO2-Bilanz nicht in Ordnung ist und Massentierhaltung sowieso moralisch verwerflich ist.

Ich habe mich auch lange gefragt, warum Greta Thunberg so angefeindet wird, ich habe sie immer für eine bewundernswert mutige Person gesehen, die extrem wichtige Probleme kompromisslos auf den Tisch bringt. Aber offensichtlich fühlen sich sehr viele Menschen von ihrem moralisierenden Anspruch überfordert und auch dadurch auf den Schlipsgetreten, dass ihnen eine junge Frau vorschreiben will, was richtig und falsch sei – eine Frau, die weder die Lebenserfahrung vieler noch einen Einblick in die Lebenswirklichkeit der meisten  Menschen hat. Wenn sie etwa eine CO2-arme Atlantiküberquerung im Segelboot inszeniert, dann ignoriert sie die soziale Dimension des Problems völlig, weil gerade eine solche Überquerung nur für sehr wenige wohlhabende Menschen in Frage kommt.

Und damit sind wir beim Thema links und rechts. Im Moment scheint es so, dass die Rechte unaufhaltsam auf dem Vormarsch scheint und die Linke (nicht nur die Partei – ich meine die politische Linke) keinerlei Rezept dagegen hat. Ich habe mich ja immer als „links“ betrachtet und mein politisches Grundanliegen war es, dass den gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten, vor allem der (groben) materiellen Ungleichverteilung entgegenewirkt wird. Heute ist diese in unserer Gesellschaft weiter ausgeprägt als noch vor einigen Jahrzehnten, aber das Thema scheint unter den linken Parteien im Moment keine Rolle zu spielen. Ich habe mich auch schon oft gefragt, was ist denn heute überhaupt noch „links“ und „rechts“ – und ich habe noch keine abschliessende Erklärung dafür. Schutz vor Diskriminierung, Integration und Förderung von Minderheitenrechten sind und waren sicher immer „linke“ Themen, scheinen aber heute die dominanten Themen v.a. junger städtischer eben „linker“ Eliten zu sein. Das heißt aber auch, dass die ursprünglich linke Wählerschaft sich nicht mehr in ihren Bedürfnissen angesprochen fühlt und nicht mehr an die ensprechenden Parteien gebunden fühlt, sich von diesen Eliten auch nicht vertreten fühlt. Vielleicht kann man es so auf den Punkt bringen: Schutz und Förderung von Minderheitsrechten sind wichtig und aller Ehren wert – aber eben kein (direkter) Belang der Bedürfnisse der Mehrheit. Und einer Politik, die diese Belange außer acht läßt bekommt keine Mehrheit. Dabei spielt es offensichtlich gar keine Rolle, dass die aufsteigende AfD ja deren Interessen auch nicht vertritt – es genügt anscheindend das atmosphärische Aufnehmen der Frustration der von der Linken entfremdeten Menschen.

Ich möchte aber hier noch auf einen anderen Aspekt eingehen und zwar den moralisierenden Anspruch der „neuen“ Linken. Dieser führt in großen Kreisen der Bevölkerung eben zu jenem „Abschreckungseffekt“ der sie sich vielleicht mit einem Hubsi Aiwanger solidarisieren lässt. Wir leben in einer Gesellschaft, in der jeder sagen darf, was er will, wir leben in einer Welt eines kaum je zuvor gekannten Meinungspluralismus – dennoch ist heute, wie die jemals zuvor der (unsinnige) Satz zu hören, dass man „das nicht mehr sagen dürfe“. Ich denke, dass hiermit die moralische Verurteilung vieler Meinungen gemeint ist, die gefürchtet wird und der man sich zu Unrecht ausgesetzt sieht. Man braucht nicht darüber sprechen, dass es Meinungen gibt, die nicht zu diskutieren sind, weil sie menschenverachtend sind – etwa die Leugnung oder Relativierung des Holocausts ist keine Meinungsäußerung sondern die unerträgliche Verharmlosung eines Verbrechens. Auch die Frage, ob etwa die Erde eine Scheibe oder eine Kugel ist, ist keine Sache der Meinung sondern von Tatsachen. Die Frage ist dabei, warum es heute immer mehr Menschen gibt, die solche Dinge in Frage stellen.

Von vielen Menschen wird die moralische Bewertung politischer wie gesellschaftlicher Vorstellungen offensichtlich als übergriffig und ausschließend empfunden. Das betrifft viele Themen, wie etwa alles was man unter „Wokeness“ subsummiert, also der demonstrativen Herausstellung der Vermeidung der verbalen Diskriminierung (etwa durch das Gendern) verschiedener gesellschaftlicher Gruppen, das Thema Klima und was damit zu tun hat, wie Fleischkonsum und Mobilität und so weiter. Davon abgesehen gibt es auf der linken Seite weitere große Bruchlinien, etwa die Diskussion der Themen Migration, Islam und Russland. Bei all diesen Themen kommt es sehr schnell zur moralisierenden Abwertung des Andersmeinenden, der schnell Etikettierungen wie „rechts“ oder „rassitisch“  folgen. Auch die Labels „alter weißer Mann“ oder „Boomer“ wirken ausschließend und nicht integrierend.

All diese Punkte  sowie die Ausblendung des einigenden Themas soziale Gerechtigkeit führen dazu, dass die linke Seite des politischen Spektrums sich heute in einem Prozess der Spaltung und Aussplitterung befindet. Viele ehemals links wählende Menschen wählen nicht mehr oder geben gar der rechten „Sammlungsbewegung“ AfD ihre Stimme, auch weil die politische Linke im Moment keine integrative Kraft besitzt /ausstrahlt. Vor einigen Jahrzehnten konnte man gegenüber den immer wieder entstehenden rechten Parteien sehr gelassen sein, da sie sich über kurz oder lang eh zerstreiten würden. Das lag irgendwie in der Natur der Sache, da es Vereinigungen von „Streithanseln“ und Unzufriedenen waren, Menschen deren Weltbild durch Konflikt geprägt war. Das ist zwar immer noch nicht viel anders, aber das Bild, das die AfD im Moment von sich präsentiert ist das eines Sammelbeckens der Unzufriedenen: Wenn du genug hast von Verboten, von „denen da oben“ (Politiker und Eliten), von Meinungsvorschriften, … dann komm zu uns. Und da liefert die Regierung mit unpopulären Gesetzen wie der Heizungsreform, die viele Leute tatsächlich vor Probleme stellt, willkommene Munition. Natürlich, die AfD liefert für keines der Probleme eine sinnvolle oder zukunftsträchtige Lösung – aber das gerät im Moment stark in den Hintergrund. Ich halte es für ein großes Versäumnis der anderen Parteien, das diese Thematik kaum differenziert diskutiert wird. Man beschäftigt sich auch kaum mit der Frage, warum überhaupt so viele Leute für die Rattenfängerei der AfD empfänglich sind. Wenn man so will, verzichtet man darauf, die AfD zu entzaubern und verteufelt sie lieber. Ich halte das für sehr gefährlich, weil es die AfD stärkt und vor allem viele Leute einer „Bubble“ aussetzt, in der es für gefährliche Meinungen,  wie rechtsextremistischem Gedankengut oder Wissenschaftsfeinlichkeit einen fruchtbaren Nährboden gibt.

Bei all diesen Problemen bräuchte ich eigentlich ein paar gute Kabarettisten, die mir das Gehirn waschen und diese Probleme auf den Punkt bringen. Mein ganzes Leben hat mir gutes Kabarett sehr viel bedeutet und viel geholfen, auch weil es meinen inneren Kompass mitgeeicht hat und vieles was mich bewegt hat auf den Punkt gebracht hat. Heute ist das Kabarett dagegen eher dabei, sich selber nach genau dem Schema zu zerfleischen, welches ich oben beschrieben habe: Linkes, korrektes, moralisches Belehrungskabarett mit Faktencheck (Die Anstalt, Richard David Precht etc.)  vs. „rechts reaktionäres“ Kabarett (Nuhr, Gruber, Schleich). Gegenseitige Diffamierungen sind inzwischen anscheinend an der Tagesordnung und ich fühle mich auf beiden Seiten nicht mehr aufgehoben.  In den letzten Jahren habe ich mich bei Kabarettisten beider „Seiten“ oft nur noch geärgert – früher waren Kabarettbesuche oder das Hören von Kabarett hingegen Höhepunkte meines kulturellen Lebens.

Meine persönliche Meinung ist auch, dass Kabarett, in dem immer nur auf „den Westen“, die EU, die Medien oder die deutsche Gesellschaft geschimpft wird irgendwann genau den Teil der potentiell linken Wähler nach rechts wandern läßt, die ein Problem mit den „Staatsmedien“ oder dem „Westen“ haben und die anders denkenden Linken, diejenigen, die sich mit diesem Staat und seiner Gesellschaft identifizieren verprellt. Wenn immer nur darauf herumgeritten wird, wie defizitär unsere Demokratie ist, wie schlimm alles bei uns ist, unsere staatlichen Medien „Einheitsmedien“ wären, die andere Meinungen unterdrücken – und dass „wir“ an so vielem Schuld tragen – dann relativiert sich irgendwann der Unterschied zu autoritären Diktaturen wie der vom Herrn Putin oder Herrn Xi – und dann ist m.E. der Weg nach rechts geebnet. Ich sehe zur Zeit durchaus Elemente, die mich an die sogenannte Queerfront erinnern – man denke nur an die Überschneidungen der Politikdarstellerin und Influencerin Sahra Wagenknecht mit der AfD.

Interessant in diesem Zusammenhang erscheint mir das Buch „Die kürzeste Geschichte Deutschlands“ von James Hawes. Dieser vertritt – in pointierte Weise . die These, dass Deutschland immer schon in eine Westhälfte und ein Osthälfte gespalten war, die sich durch geschichtliche Erfahrung und gesellschaftliche Struktur unterschieden hätten. Der Westen hätte sich immer schon mehr den liberalen Entwicklungen und Staaten Westeuropas zugehörig gefühlt hätte – während der Osten als Erbe des preußischen Junkerstaates seit je her viel autoritärer und hierarchischer geprägt sei. Er zeichnet dies in einer eindrucksvollen Skizze nach und belegt seine These mit Wahlergebnissen aus dem deutschen Reich im Vergleich zu heute. Auch damals, so meint er, wäre in Westdeutschland alleine Hitler etwa nie an die Macht gekommen, wäre auch ein Westdeutschland alleine nie in die Grundkatastrophe des ersten Weltkrieges abgeglitten. Er meint, dass wir auch heute das Phänomen haben, dass die ostdeutsche rechts-autoritäre Bewegung gegenwärtig die politische Agenda ganz Deutschlands bestimmt und Deutschland nach rechts zieht. Ich würde seine Thesen nicht vollständig unterschreiben undmöchte mich von jeglichem Ossi-Bashing distanzieren – aber …, außerdem: rechte Bewegungen gibt es ja auch in Frankreich, Italien, den USA – das scheint also ein internationales Phänomen zu sein.

Und nächste Woche ist eh Wahl in Bayern, danach wird der Inn weiter ruhig in den Herbst fließen. Die Championsleague tritt noch nicht in die Phase, die für Qatar, die Emirate oder den Herrn Abramovic interessant wäre und bis zum nächsten Debakel der deutschen Fussballer ist es noch Zeit bis nach der nächsten Meisterschaft des FC Bayern. Und wenn es im Winter einmal kalt ist und schneit wird der Herr Aiwanger sich darin betätigt fühlen, dass es mit dem Klimawandel nicht weit her ist. Sind die Saudis jetzt eigentlich auch schon in der Championsleague?

Ich hab wieder mal eine Geschichte geschrieben – eine Hommage an die Augsburger Puppenkiste und über drei Marionetten die ihre Abhängigkeit von den Fäden erkennen, ausbüxen und das richtige Leben suchen, sie heißt: Der Ritter, der Löwe und die Prinzessin.

 

 

 

 

 

 

Wahlkampf, Rammstein und der Liberalismus

Inzwischen hängen sie wieder, die Plakate, die berühmten Wahlkampfplakate denn bald ist wieder Landtagswahl – das Hochamt der Demokratie in Bayern. Ich war kurz in München ließ mich von ihnen inspirieren.

„Bayern – unser Land in guter Hand“ – das spricht mich natürlich vollkommen an und beruhigt mich. Es stammt von unserer großen bayerischen Staatspartei, die uns seit Generationen mit milder wie väterlicher Hand durch die Unbill der Welt führt. Wie hieß es letztes Mal: „In Bayern lebt es sich einfach besser“ – ein klares Argument für die Regierungpartei. Ich fühle mich erinnert an das Buch von Herbert Riehl-Heyse „CSU – die Partei, die das schöne Bayern erfand“ oder an Sprüche von Gerhard Polt wie: „Ich trinke Jägermeister – weil ich CSU wähle“. Daneben die Plakate von Hubert Aiwangers Partei, dem Juniorpartner in der Regierung und dem bekannten Teilzeitkabarettisten (kleines Beispiel) – der sich als Regierungsmitglied (angeblich ist er Wirtschaftsminister)  ja „die Demokratie zurückholen will“ – soweit ich kapiert habe aus Berlin. Mich erinnert das dann an Donald Trump, den einzigen regierenden Präsidenten der Weltgeschichte, der durch Wahlbetrug der Opposition sein Amt verlor. Mit ihm sollte man wirklich Mitleid haben!

Die Plakate der „Freien Wähler“ zeigen einen durchgestrichenen Kreis. Klar denk´ich mir, man soll ein Wahlkreuz machen – wo steht aber nicht dabei. Man kann es nur erahnen, dass sie sich selber meinen. Ein weiterer Text steht nicht dabei – den findet man auf einem zweiten Wahlplakat von ihnen: „Wohnraum muss bezahlbar bleiben“ – mit einem Bild der schönen Münchner Stadt. Mich erstaunt es zum einen, weil der Wohnraum ja schon lange nicht mehr bezahlbar ist, zum anderen, weil ich diese Partei noch nie mit diesem Thema in Zusammenhang gebracht habe.

Die Opposition macht es da sicher besser! Der SPD-Kandidat erinnert mich an Dilbert – ich möchte ihn in den Arm nehmen und erklären, dass die Welt nicht so schlimm ist, wie sie scheint. Ein anderer SPD-Kandidat, dessen Plakat ich aus dem Bus erspähe zeigt mit dem Finger auf mich – aha – er will was von mir!? Scheint irgendwie unangenehm, den wähl ich lieber nicht. Leider sehe ich auf meiner nur kurzen Fahrt keine Plakate dieser Partei mit einer Aussage. Die Grünenkandidatin „Sanne“ will mich einladen, mit ihr irgendwie ein Bier zu trinken und über Politik zu diskutieren – das machen der Markus und der Hubsi von der Regierung nicht. Aber ich wohne ja gar nicht in Münchnen und Zeit hab ich auch nicht.

Für die FDP warb Helmut Markwort, ehemaliger Mitherausgeber und Gründer des „Focus“ mit einer Veranstaltung mit dem Titel: „Fragen sie Christian Lindner“. Mir fiel dazu nur ein, dass ich nicht glaube, ich hätte irgendeine eine Frage, mit der ich mich ausgerechnet an den Herrn Lindner wenden würde. Halt, ich könnte ihn ja fragen, ob er bei seiner schönen, teuren Hochzeit auf Sylt ein paar Punks getroffen hat – aber es geht ja hier um die Landtagswahl in Bayern. Ich bekämpfe den in mir aufsteigenden Gedanken, dass das Engagement von Herrn Markwort irgendetwas mit der politischen Ausrichtung des „Focus“ zu tun haben könnte, Ach Gott, und dann fällt mir noch die Bild-„Zeitung“ ein, jetzt nur an was anderes denken.

Leider sah ich diesmal keine Plakate von der MLPD. Die kommunistische Splitterpartei wirbt bei jeder Wahl um den „Sozialismus“ – die Lösung aller Krisen – und Solidarität mit Kurdistan. Das zeigt dem Wähler Konsequenz und Beständigkeit – das sind die Themen, die den normalen Münchner Wähler beschäftigen und ihm aus dem Herzen sprechen.

Plakate von der Linken sah ich nicht, bin mir aber auch nicht sicher, ob es die in Bayern überhaupt gibt.

Auch von der AfD sah ich diesmal nichts, das wunderte mich dann doch. Nur ein selbstgemachtes Plakat, welches prominent am Balkon eines möglichen Sympathisanten hing: „Dreck´s Politiker“. Damit ist wohl die Kernaussage dieser Partei getroffen und ich gehe mal davon aus, dass sie damit nicht ihre eigenen Politiker meinen. Kurz denke ich darübe nach, ob ich mich trauen würde, dem Urheber des Plakates zu erklären, das die deutsche Kultur, die er wohl als bedroht ansieht auch die deutsche Rechtschreibung umfasst.

Wahlplakate wären zu kurz im Blickfeld des Betrachters, der ja in der Regel Verkehrsteilnehmer ist, um eine komplexe Botschaft zu vermitteln, so sagte vor kurzem ein Experte im Radio  – dennoch wären sie eine entscheidende Einrichtung um Präsenz zu zeigen und das Wahlverhalten zu beeinflußen. Es war ja auch nur eine kurze Fahrt durch München und ich sah leider nur ein paar Plakate, ich gehe mal davon aus dass ich viele überzeugende Plakate nicht sehen konnte.

Am Gießinger Bahnhof endlich die Plakate der Partei „Die Partei“: Sie fordert auf ihren Plakaten das Verbot der Wahlplakate. Selten hat mir ein Wahlplakat derart aus dem Herzen gesprochen.

Weil grad die FDP vorkam – ich habe wieder mal ein Buch von Francis Fukuyama gelesen, das ist der, dem unterstellt wird, das „Ende der Geschichte“ und den Triumph des westlichen liberalen Modells propagiert zu haben. Fukuyama meint dazu, er hätte diese Aussage mit einem Fragezeichen gestellt – aber auf solche Details wollen wir und hier nicht kaprizieren. Er widmet sich in diesem Buch der Frage nach der Krise des Liberalismus. Nun ist bei uns der Begriff „Liberalismus“ ja leider bei vielen sehr einseitig durch die FDP und den sogenannten Neoliberalismus besetzt. Man muss sich aber klar machen, dass der Liberalismus weit über den von diese Partei propagierten Wirtschaftsliberalismus hinausgeht. Die FDP-Anhänger werden mir jetzt vorwerfen, dass sie den Begriff Liberalismus nie so eng gesehen haben – das mag sein, aber ich habe den Eindruck, dass das nicht in einer breiteren Schicht der Öffentlichkeit ankommt. Der Liberalismusbegriff, von dem ich ausgehe, hängt eng mit dem Bild vom Menschen zusammen, welches sich mit der Aufklärung entwickelt hat. Dieses Menschenbild geht von der Individualität des Menschen und dem Wert dieser Individualität aus. Es ist ein Menschenbild, welches den Menschen als ein Wesen sieht, das nicht in Abhängigkeit von einem höheren Wesen agiert oder steht und welches seinen Wert nicht nur durch die Erfüllung seiner Rolle in einer Gesellschaft erhält. Es steht damit in deutlichem Gegensatz zu religiösen gottbezogenen Weltbildern in denen der Mensch dem Willen Gottes untergeordnet wird und zu totalitären, in welchen die Gesellschaft oder Nation an sich, als übergeordneter Wert gesehen wird, dem sich der Einzelne unterzuordnen hat. Mir macht es Angst, dass nicht nur der Begriff Liberalismus sondern auch die liberalen Inhalte und Forderungen in der Politik zunehmend von autoritären Positionen angegriffen werden. Meines Erachtens kann es eine illiberale Demokratie, wie sie Victor Orban fordert überhaupt nicht funktionieren weil sie, qua definitionem, ja die offene Gesellschaft, die Vielfalt der Ideen und Lebensweisen ablehnt und damit die demokratische Meinungsbildung unterdrückt. Ich denke auch, das nur eine liberale Gesellschaft letztendlich die Ideen entwickeln kann, um die Probleme der Menschheit wie des Planeten in den Griff zu bekommen und wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt zu generieren (Oh Gott, was für eine Behauptung – die muss ich mal untermauern). Ich denke, dass es keine menschengerechte Gesellschaft geben kann, die nicht das Gleichgewicht zwischen der freien Entfaltung des Individuums und der gesellschaftlichen (ökologischen) Gerechtigkeit anstrebt.

Doch noch ein kurzes Warum: Autoritäre Strukturen lenken und engen ein, indem sie abweichende Meinungen nicht zulassen bzw. deren Verbreitung unterdrücken. Sie verzichten auf echte Kontrollmechanismen ihrer eigenen Macht und ergreifen Massnahmen um ihre Macht zu erhalten. Aus diesem Grund wird Kritik (und die ist notwendig um Irrwege zu erkennen und zu korrigieren) unterdrückt und der Rechtsstaat ausgehebelt. Ein wichtiger Schritt dazu ist es, die Gewaltenteilung auszuhebeln (wie es der feine Herr Netanjahu gerade versucht) damit die Gerichte nicht mehr der Politik ans Bein pinkeln können. Gibt es keinen Rechtsstaat mehr steigen Rechtsunsicherheit und Korruption. Ersteres bedeutet, dass Unternehmen und Investoren sich nicht darauf verlassen können ihr Eigentum zu behalten und in der Folge nichts mehr investieren. Zweiteres weil, derjenige, der an öffentliche Aufträge kommen will, keine Möglichkeit hat, gegen Benachteiligung zu klagen – er muss statt dessen bestechen, eine andere Möglickeit bleibt ihm kaum.

Man darf also gespannt sein, wie es im zunehmend autoritären China unter Herrn Xi weitergeht, nachdem das Land unter seinen (relativ) liberalen Vorgängern ja eine rasante Entwicklung hingelegt hat.

Jetzt wird´s eigentlich viel – deshalb nur ganz kurz noch was zu Rammstein, da muss ich auch noch mal was längeres schreiben. Abgesehen davon, dass ich die Band noch nie mochte, finde ich das „System Lindemann“ zur Damenzufuhr einfach widerlich. Vor allem auch deswegen, weil es ein Pyramidensystem darstellt, welches die Erfüllung der Bedürfnisse eines einzelnen Herren über die Bedürfnisse vieler anderer stellt (Mr. Spock lässt grüßen!). Zum Zweiten, weil es sowohl für Männer als auch für Frauen toxisch ist. Für Männer wohl deshalb, weil es das Bild erzeugt, ein hypermaskuliner testosteronüberladener Star bekommt jede Frau, die er haben will – und damit wohl für viele ein erstrebenswertes Ideal darstellt. Für Frauen auch deshalb, weil es die Vorstellung erzeugt, dass Frauen „es“ ja „wollen“, dass sie es “ mit einem machen“, wenn man sie nur etwas „ermuntert“. Auch das ein verheerendes Bild, weil es die Vorstellung von Frauen als willige Sexualobjekte erzeugt. Mich hat die Rammsteingeschichte zu einer kleinen Geschichte inspitiert: Aschenputtel

Drittes Opfer ist die Kunst, denn die umstrittenen (ich finde die Gedichte zum Teil schlecht und unsäglich) Texte werden zur Kunst erhoben, perverse Gedichte von Herrn Lindemann werden von einem renomierten Verlag herausgebracht und gegen Kritik verteidigt, wahrscheinlich um die Popularität des Sängers als Verkaufsargument zu nutzen. Unter dem Deckmantel des lyrischen Ichs werden dort Vergewaltigungsfantasien banalisiert und mit der Freiheit der Kunst argumentiert. Ja, die Freiheit der Kunst ist ein hohes Gut – aber geht mit Freiheit nicht auch Verantwortung einher?

 

P.S.:

Hier wieder mal ein schönes Beispiel für ein SPD-Plakat – der Mensch seht eben nicht im Mittelpunkt sondern der Text.

Achja, bevor ich´s vergess: Die Vereinigten Arabischen Emirate haben dem ehemaligen Bayerntrainer Per Guardiola endlich soviel Geld gegeben, dass er mit seinem Spielzeug Manchester City die Championsleague gewinnen konnte. Da wird es die Qataris ärgern, dass ihr Spielzeug Paris SG regelmäßig ausscheidet. Mist aber auch. Einsam führt in diesem Wettbewerb der Putin-Freund und Oligarch Roman Abramovic, desssen Spielzeug Chelsea schon zweimal gewonnen hat. Die „Emirates“, wie sie cool genannt werden machen sich international auch dadurch beliebt, dass sie die Russlandsanktionen unterlaufen und gestressten russischen Oligarchen Zuflucht gewähren – also ein prima Ferienort, nein, das heißt Destination, für uns Putinfreunde, solange wir nicht schwul sind.

Apropos Putin: Nach dessen Sicht war ja der Zusammenbruch der Sowjetunion die schlimmste geopolitische Katastrophe der jüngeren Geschichte (ob das die anderen Osteuropäer das auch so sehen?). Ich hab mir dann gedacht, dass der Tod des Hundes ja die größte geopolitische Katastrophe des Flohs ist und die Entwurmung des Hundes wohl für den Bandwurm.

Und Laura Müller, von der ich letzte Mal geschrieben habe – die verlangst offensichtlich 35 Euro für ihre Fotos. Und da kommt mir echt der Gedanke; Wer kauft diese Bilder – wenn das Internet voll mit kostenlosen Nacktfotos ist???

Mit diesen schönen wünsche ich den Lesern einen schönen Restsommern!

 

 

Oh mein Gott – Wendler, Harvey Weinberg und das Aktuelle

Mein Gott, jetzt ist so viel Zeit vergangen, seitdem ich das letzte Mal hier etwas geschrieben habe. So viel ist passiert, Laura Müller um ein „prominentes“ Beispiel herauszugreifen  ist anscheinend schwanger geworden, vom „Wendler“. Der „Wendler“ ist inzwischen anscheinend schon ein Markenzeichen für abgedrehte Schwurbeldarsteller geworden. Anscheinend ist ihm das Geld noch nicht ausgegangen. Oder ernähren sich die beiden jetzt über „onlyfans“ – das ist eine website, wo Halb- , Viertel- und Pseudopromis Geld dafür bekommen, dass sie sich ausziehen und noch mehr … aber bevor ich jetzt vollkommen abgleite … (ich glaub, dazu mach ich lieber auch keinen link).

Ich denke mir nur immer, was ist das überhaupt für ein Leben, also das von Laura Müller – Abi, Playboy, deutlich älteren Schlagersänger geheiratet …? Ich meine, die Frau/das Mädchen/Girl ist ja erst 22 (glaub ich). Sie hat keine Ausbildung, kein Studium, keine Sozialisation im (Berufs-)Leben, gekappt von Freunden und Familie und lebt jetzt in Florida davon, Aufmerksamkeit zu generieren. Und was dann? Und was weiter? Wenn sie nicht mehr knackig genug ist und der „Wendler“ über alle Berge ist oder sonstwo hin? Bleibt dann das noch Dschungelcamp? Ich finde dieses Leben eigentlich absolut armselig. Was ist denn der Sinn eines so geführten Lebens? Aber möglicherweise bleibt sie ja von der Sinnfrage verschont, möglicherweise stellt sie sich die Sinnfrage ja nie, denn dazu gehörte ja, dass man über sich und die Welt (oder: „Gott und die Welt“?) etwas tiefer nachdenkt. Wobei, ich habe ja zunehmend den Eindruck, dass dieser „Promi“-Zirkus eine abgekoppelte Welt, eine Blase ist, die völlig abgekoppelt ist von der realen Welt von 80 Millionen Deutschen, von 8 Milliarden Weltbürgern und sich nur um sich dreht. Früher kannte ich auch „Promis“ (nicht persönlich, natürlich) – aber das waren meist Schauspieler, Sänger, Musiker – Menschen, die eine nachvollziehbare Leistung erbrachten. Heute dominieren anscheinend reine Selbstdarsteller. Warum entziehen wir ihnen denn nicht einfach die Aufmerksamkeit? Ist das Leben wirklich so furchtbar, dass wir und diesen Zirkus des Eskapismus leisten müssen? Als sinnfreien Ausgleich zu dem, was uns täglich belastet? Oder ist es doch so, dass wir es verlernt haben – Qualität zu erkennen, zu schätzen und uns an Qualität zu erfreuen? Vielleicht weil es zu mühsam ist, in einer Welt, in der wir erwarten, dass der Staat und die Unterhaltungsindustrie uns die gebratenen Tauben in den Mund fliegen lassen? Oder werde ich jetzt bösartig?

Naja, das ist aber natürlich nicht der Grund für meine Schreibfaulheit – das ist eher die Situation mit dem Krieg. Ich merke, dass der Krieg und die Ungewissheit wie er weitergeht mich  sehr belasten – und ich denke mir – was will ich in so einer Situation schreiben, was nicht vielleicht morgen völlig überholt ist. Die Frage, wie sich das alles entwickelt, wohin das noch führt – auch die Sorge über die Saat des Hasses, die in Russland wilde Blüten treibt und von dem ich befürchte, dass er weiter auf unsere Gesellschaft übergreift. Und dieser Hass blüht ja nicht nur dort, er steckt, tief in vielen rechtspopulistischen Bewegungen – ich denke da an die Postfaschisten in Italien, an die Trumpisten in Amerika, Bolsonaro und es lassen sich viele weitere Beispiele finden. Ein weiterer Punkt ist die Dreistigkeit der Lügen, die von den Mitgliedern des russischen Regimes und dessen Propagandisten  verbreitet werden. „Gaslighting“ nennt man so etwas in der Psychologie – und auch hier dachte ich, dass es nach Donald Trump kaum eine Steigerung mehr gäbe.

Ich habe Angst, dass sich Hass und Lügenkultur zunehmend in unsere Gesellschaft fressen und sie langsam zerfressen. Wahrscheinlich steckt Hass auch in vielen Linksradikalen – aber die halte ich eher für eine aussterbende Spezies. Was mich weiter frappiert ist die Ignoranz und die Hilflosigkeit, mit der das liberale demokratische Parteienspektrum reagiert. Ich habe das Gefühl, da findet weder eine tiefere Analyse der Entwicklung statt noch der Wille zu einer nachhaltigen Verteidigung freiheitlich-demokratischer Werte – oder findet doch irgendwann ein Umdenken statt?

Ja, in den letzten Monaten ist wirklich viel passiert – die Queen ist gestorben, Bolsonaro knapp abgewählt, Italien hab ich schon angesprochen und und und. Der feine Herr Xi hat seine Einpersonendiktatur absegnen und zementieren lassen. Der Begriff „Ermächtigungsgesetz“ passt hier nicht und doch erinnert es micht an die freiwillig/unfreiwillige Machtübertragung an einen Diktator. Und im Iran gehen die Frauen auf die Strasse und viele andere schließen sich ihnen an – und ich bin verloren zwischen der Hoffnung, dass sich die Menschen befreien und das verhasste (und hier hätte der Hass einen realen Grund!) Regime abschütteln und der Angst dass die Proteste zusammengeknüppelt und -geschossen werden, die gefangen Regimegegner anschließend gehängt werden (im Iran machen sie das gerne mit Baukränen). Und in mir steigt eine ohnmächtige Wut auf, mit welchem Recht dieses Regime vorgeht, welches sich ja auf Gott beruft, mit welchem Recht der Neo-Zar die Städte seiner „slawischen Brüder“ in Schutt und Asche legt, nachdem sie seiner Armee widerstanden haben. Man soll ja mit Nazi-Vergleichen zurückhaltend sein – aber was passt hier besser als der Spruch: „Und willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein!“ Immerhin macht es Mut, dass im Iran die Menschen noch den Willen und Mut zum Protest aufbringen. Ich denke daran, wie viele Stimmen bei uns die russischen Kriegsdienstverweigerer mit Vorwürfen geschmäht haben wie: „Warum habt ihr denn zu Hause nicht gegen den Krieg protestiert?“ Ich möchte wissen, wie viele dieser Stimmen sich gefragt haben, warum die Deutschen denn damals nicht gegen die Diktatur aufgestanden wären. Ich wäre es wahrscheinlich auch nicht – aus Angst, schlicht aus Angst!

Noch kurz zu einem anderen Thema: Im Prozess gegen Harvey Weinstein hat ein ehemaliges Opfer über ihn ausgesagt. So wie die Aussage im Raum steht ist sie vor allem über die Hässlichkeit des Mannes entsetzt – und ich bekomme den unwillkürlichen Eindruck, das Ganze wäre für sie nicht so schlimm gewesen, wenn er schön und gut gebaut gewesen wäre. Es ruft in mir wieder den Verdacht hervor, dass die schlimmste Sünde in unserer heutigen schönen Konsum- und Medienwelt die Hässlichkeit sei. Im Moment lief wieder das „Dschungelcamp“ – wenn man sich das Bild der Kandidaten ansieht – man bemüht sich krampfhaft, es so divers wie möglich zu machen – aber jemanden Dicken oder richtig Hässlichen sucht man vergeblich dabei. So positiv es ist, wenn man versucht, Diskriminierungen aufzubrechen – in der Werbung, in den Medien – es bleiben immer Gruppen, die keine Lobby haben, die davon nicht profitieren, über deren Schicksal wir uns kaum Gedanken machen. Warum eigentlich? Wenn  ich mal so aufzähle – und ich lege dabei keinen Wert auf Vollständigkeit: Die Dicken, die Hässlichen, die Familien mit mehreren Kindern, die Alleinerziehenden, diejenigen, die es in ihrem Leben nicht schaffen, jemals eine Beziehung einzugehen …. alle diese Gruppen kommen in den Medien, ja auch in der Literatur nicht oder fast nicht vor. Keine Lobby! Nicht erstrebenswert! Ja, ich schmeiße jetzt viele Gruppen durcheinander und die etwa Diskriminierung von Familien und vor allem Alleinerziehenden findet vor allem durch mangelnde Unterstützung durch die Politik statt. Aber wie sollen diese Gruppen eine effektive Lobby – bilden? Etwa Alleinerziehende leben überdurchschnittlich oft in prekären Verhältnissen, müssen überdurchschnittlich viel arbeiten, haben weder Geld noch Kraft und Energie, eine Lobby zu bilden. Mangels Kaufkraft sind sie natürlich auch für die Werbung uninteressant. Ich wundere mich dabei sowieso, warum auch keiner bemerkt, dass die Werbung und die Medien inzwischen zwar voll sind von sogenannten PoC – aber die größte Einwanderungsgruppe – Menschen mit türkischen oder kurdischen Wurzeln dabei fast nicht vorkommt? Stört das niemanden?

Oh, Gott, alles roh? Wo bleibt der rote Faden – ich hau´s jetzt einfach mal raus, kann`s später ja noch mal überarbeiten …möcht nicht wissen, wie viele Fehler drin stecken …

Ich bin ja Humanist und glaube an den Menschen und das Gute im Menschen und ich will die Hoffnung nicht aufgeben dass das vernünftige Miteinander doch über den so unnötigen wie galligen und tödlichen Hass triumphiert (passt das?)

Ich wünsche allen Lesern (die hierhergefunden haben) einen schönen Frühling!

Noch ein paar P.S.: Alice Weidel, nein, Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht habe wieder mal einen Aufruf verfasst. Während die „Feministin“ Alice Schwarzer ja seit vielen Jahren ungeniert Pro Putin schreibt (etwa weil er so männlich ist?) wundert es mich bei Sahra Wagenknecht auch nicht wirklich, in der DDR war es doch am schönsten – unter der großen Mutter Russland und dem Väterchen Stalin. Bitte entschuldigt meinen Sarkasmus, aber wenn eine Feministin nicht mal gegen Vergewaltigungen schreibt dann weiß ich es auch nicht mehr (über das Problem der Täter-Opfer-Umkehr habe ich schon mal geschrieben). Um nicht falsch verstanden zu werden – natürlich wären Verhandlungen anzustreben – das geht aber nicht, wenn die Verhandlungposition des Einen die Vernichtung des Anderen fordert. Ich will zu diesem Thema nur einen link zu einem Kommentar angeben, der mir sehr aus dem Herzen spricht. Ja, und warum der große und unbescholtene Denker Jürgen Habermas Verhandlungen fordert und andererseits auf ihre Undurchführbarkeit hinweist – das verstehe ich auch nicht ganz. Habermas fordert ja, dass sich der „Westen“ über seine Kriegsziele klar wird – ich habe den Eindruck, dass es weniger um irgendwelche Siege geht sondern darum, die Ukraine am Überleben zu halten. Dazu noch ein link zu einem Interview mit dem ehemaligen Botschafter in der Ukraine Hans-Jürgen Heimsoeth  .

 

 

Krieg und Dreadlocks

Krieg und Dreadlocks 

Nein, ich glaube nicht, dass viele Soldaten Dreadlocks tragen. Das wäre zu unpraktisch. Es ist nur wieder einer dieser Punkte, die ich in meinem Hirn nicht mehr zusammenkriege. Das mit den Dreadlocks und fridays for future liegt jetzt schon ein paar Monate zurück, der Krieg nicht. Am Anfang war ich für Wochen in einer Art „Schockstarre“, dann gab es eine Phase, in der ich etwas Hoffnung schöpfte weil die Ukrainer recht erfolgreich Widerstand leisteten – und seit einiger Zeit habe ich den Eindruck, dass sich tatsächlich so etwas wie eine russische Dampfwalze über die Ukraine wälzt – sehr langsam – aber kaum aufhaltbar. Ich versuche „akute“ Nachrichten aus dem Krieg zu vermeiden, weil ich sie kaum ertrage und lese eher Hintergrundanalysen dazu, aber es ist natürlich ein sehr unzuverlässiger und unvollständiger Eindruck, den ich davon habe. Und dieser Eindruck ist, dass hier mit einer unglaublichen Gewalt, die alles an internationalen Regeln und Menschlichkeit verhöhnt ein Land und seine Bewohner vergewaltigt werden. Ich wüsste nicht, wo dieser Vergleich besser passen würde denn der Begriff Vergewaltigung gilt m.E. nicht nur im direkten sexuellen Kontext . Der Begriff „Konflikt“ passt für mich nicht, weil er impliziert, dass ein Interessenkonflikt zwischen im Prinzip gleichberechtigten Partnern/Gegnern vorliegt – und das ist hier nicht der Fall, weil das russische Regime dem ukrainischen Staat das Existenzrecht abspricht. Es ist verbal und auf dem Schlachtfeld ein Vernichtungskrieg. Was will die russische Seite denn gewinnen außer entvölkerte und zerstörte Städte und Ländereien? Ich verstehe das nicht. Mich frappiert es auch, mit welcher Ungerührtheit dabei die eigenen Soldaten verheizt werden als ob es keine Menschen wären. Für mich trägt dies alles starke Merkmale eines totalitären Systems – der einzelne Mensch und dessen Leben zählt nichts – die Idee – eines russischen Großreichs alles. Es ist das Gegenteil von Humanismus. Um so mehr bin ich immer wieder erstaunt, wie viele Menschen in Deutschland über diesen Konflikt reden, als wäre er eine lästige außenpolitische Frage wie so viele, bei der man sich so oder so verhalten könne, wo es doch auch an unseren Geldbeutel geht. Ich denke hier an die Äußerungen des Scholz-Beraters Jens Plötner oder den Brief gegen die Waffenlieferungen an die Ukraine. Natürlich kann oder muss man darüber reden – aber wenn ich Leute wie Richard-David Precht * dazu höre gewinne ich den Eindruck, dass er/sie zumindest eine Teilschuld bei der Ukraine sieht und irgendwie meint, „sie soll sich doch nicht so aufführen, sollen gefälligst kapitulieren“, für mich persönlich reicht das schon fast an eine Täter-Opfer-Umkehr hin. Ich will das nicht allen unterstellen, aber so kommt das bei mir an. Ich bin auch davon überzeugt, dass die Ukraine nicht bis jetzt durchgehalten hätte, hätte sie keine Waffenlieferungen erhalten. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit US (und britische) Waffenlieferungen ab 1941 an die damalige Sowjetunion den Zusammenbruch der roten Armee und einen Sieg von Adolf Hitler verhindert haben.

Ich habe einen sehr interessanten Artikel über Pazifismus und die Haltung zum Krieg in der Taz gelesen. Ich denke man muss hier zwischen einer pazifistischen Haltung unterscheiden, bei der man keinesfalls bereit ist Gewalt zur Durchsetzung politischer Interessen einzusetzen – und das bin ich, wie wahrscheinlich der größte Teil der Deutschen nicht – und der, dass man es moralisch auch für verwerflich hält, sich gegen einen Aggressor auch mit Gewalt zu wehren – und diesen unter Umständen auch zu töten, wenn es notwendig ist – und diese Bereitschaft sehe ich als notwendig um in einer Welt, in der Gewalt existiert zu überleben und auch mögliche Opfer zu schützen. Dieser Unterschied wird selten diskutiert (dazu ein interessanter Beitrag des Moralphilosophen Wilfried Hinsch) für mich ist es aber existentiell, sich darüber klar zu werden. Im zitierten TAZ-Artikel geht es auch darum ob nicht ziviler, passiver Widerstand eine Alternative zum Krieg wäre. Ich denke, ziviler Widerstand hat in gewissen Situationen durchaus einen bestimmten Effekt – aber in so einer Situation halte ich es für fraglich. Es setzt voraus, dass ein großer Teil der Bevölkerung die Zusammenarbeit mit dem Aggressor verweigert und diese aktive Weigerung auch unter Repressionen wir Folter oder Mord durchhält – und ich denke, dass viel zu wenige Menschen bereit sind, diese Konsequenzen auf sich zu nehmen. Ich würde es nicht schaffen. Die weitergehende philosophische Frage wäre ja auch die, ob ich bereit wäre, mich töten zu lassen, obwohl ich die Möglichkeit hätte, den Mörder vorher zu töten. Ich verneine diese Frage für mich weil ich denke, dass so eine Forderung unmenschlich ist weil sie dem Überlebensinstinkt diametral entgegengesetzt ist. Der zweite Punkt aber wäre, das ich das Leben des Mörders, der sich ja zudem noch amoralisch verhält indem er mich bedroht, als höherwertig einschätze als meines. Und das widerspricht meiner Überzeugung von der Gleichwertigkeit der Menschen. Für mich stellt sich die Situation so dar, dass ein Angreifer mit konkreter Tötungsabsicht sich außerhalb aller menschlichen Werte stellt und durch sein Verhalten das Risiko bewusst auf sich nehmen muss, durch die Verteidigungsmaßnahmen des Opfers selbst zu Schaden zu kommen (Ich freue mich immer, wenn ein Stier einmal einen Torero verletzt – ich weiß nicht, ob diese Freude dann böse ist?).

Aber wie gesagt, ich glaube, diese Fragen stellen sich viele gar nicht. Manchen ist es anscheinend wichtiger, ob eine Künstlerin bei einem öffentlichen Auftritt Dreadlocks trägt – und sich damit der kulturellen Aneignung schuldig macht. Und wenn ich diese beiden Seiten des Buches gegeneinander halte, dann weiß ich nicht mehr was ich sagen/schreiben soll. Ich habe das Gefühl, da sind Weltsichten, die so weit voneinander entfernt liegen dass ich mich überfordert fühle, sie intellektuell irgendwie in Einklang zu bringen. Ich habe mich natürlich gefragt, wie die Flüchtlinge aus dem Mittelmeer reagieren, wenn sie von der Dreadlocks tragenden Kapitänin Carola Rackete gerettet werden. Wahrscheinlich echauffieren sie sich über deren Haartracht.

Das Thema kulturelle Aneignung wäre natürlich auch sehr interessant. Was ist denn letztendlich der Unterschied zu kulturellem Austausch – kann man da ernsthaft eine Trennlinie ziehen? Und was wäre die Welt ohne kulturellen Austausch. Ich denke da an Themen wie Religion und Schrift, die aus dem Osten zu uns kamen – oder an technisch, industrielle, medizinische Errungenschaften, die der Westen in die Welt brachte. An Musik, an Kunst, an Mode,… Teile der bairischen wurden ja aus Spanien übernommen (fragt lieber nicht genau nach, ich find´s einfach erstaunlich).

Noch was: Ich hab schon viel über westliche Werte gesprochen und das, was ich darunter verstehe. Im wesentlichen sind das die Werte des Humanismus, die in der Aufklärung entwickelt wurden, die Idee von der Gleichwertigkeit der Menschen, die sich in langsamen Schritten bahn gebrochen hat. An diese Vorraussetzung gebunden ist die Vorstellung von der Würde des Menschen und der Menschenrechte. Ohne diese als Grundlage gäbe es weder eine Diskussion über Gendergerechtigkeit noch über kulturelle Aneignung. Die einzig mögliche Gesellschafts- bzw. Regierungsform ist in diesem Ansatz die Demokratie. Alle anderen (autoritären) Regierungsformen gehen von hierarchischen Denkmustern aus und leugnen diesen Grundsatz, setzen die Interessen einiger über die von anderen. Ich sehe hier einen grundlegenden Gegensatz zum Regime des Herrn Putin (wie auch vieler anderer Autokraten). Die Frage ist es, inwieweit wir bereit sind diesen Grundsatz zu verteidigen. Und zwar auf eine geschickte Weise, die wirkt, lange bevor es zu Gewalt kommt**. Ich erinnere hier an Aussagen vieler Autokraten, dass diese Werte eben „westliche“ wären und daher nicht universal gelten würden und auch bei uns haben anscheinend viele die Auffassung dass andere (etwa asiatische) Kulturen hier andere Grundlagen besitzen. Man muss aber immer hinterfragen ob dies nicht einfach eine bequeme Schutzbehauptung der Regierungen ist um unbequeme Fragen nach den Menschenrechten abzublocken. Es wird dabei nicht bedacht, dass andere Gesellschaften selbstverständlich andere Auffassungen über das Verhältnis zwischen dem Individuum und der Gesellschaft haben (und das muss nicht schlecht sein) – das ist aber eine andere Frage als die nach der Würde und der grundlegenden Gleichberechtigung aller Menschen.

Aber was soll´s, viele verwechseln ja auch Russland mit der Sowjetunion oder berechtigte russische Interessen mit denen des russischen Regimes. Oder verstehen es nicht, dass es vielleicht  durchaus moralisch vertretbar war, vor zehn Jahren sich um den Ausbau russischer Gaslieferungen zu kümmern – aber die Aufrechterhaltung einer Freundschaft zu einem Kriegsverbrecher und Massenmörder eben eine völlig andere moralische Frage ist, ich weiß auch nicht, warum das keiner dem Herrn Schröder, einem aufrechten Sozialdemokraten erklärt.

Ach ja, und nochmal ein Wort zu fridays for future: Ich halte diese Bewegung für extrem wichtig. Unsere Gesellschaft benötigt unbedingt jemanden, der das Thema Klima ständig auf die Tagesordnung setzt und uns in die Hintern tritt. Wenn diese Bewegung sich jetzt aber in einem universalen Gerechtigkeitsanspruch verzettelt, und solche Themen wie kulturelle Aneignung mit vertritt, befürchte ich, dass sie den Rückhalt und die Sympathie sehr vieler Menschen verlieren werden, die zwar auf sie hoffen aber diese Diskussionen nicht mehr nachvollziehen können. Dann würde diese Bewegung an Kraft verlieren und eine der vielen (linken) Bewegungen werden, die sich untereinander im Anspruch auf die absolute Wahrheit zanken und die keiner mehr ernst nimmt. Und das darf nicht passieren, dazu ist das Thema Klimaschutz zu viel wichtig. Genauso wichtig wie der Kampf um die Demokratie und eine offene Bürgergesellschaft – denn ohne diese hat auch der Klimaschutz keine Chance.

Geschrieben hab ich trotzdem noch einiges, vor allem sind es satirische Kurzgeschichten, wie die des Ritter Franz, der von seinem übereifrigen Burgpater zur Teinahme an einem Kreuzzug gedrängt wird. Nur noch ein Wunder kann ihn nun noch retten … also geschieht eines.

Oder die Geschichte von der Alieninvasion und dem Professor Aufschnaiter, der berechnet hat, dass sich das Schicksal der Menschheit im Aischgrund entscheiden wird.

Anmerkungen:

* Was ich dabei auch nicht kapiere ist die Auffassung, das „der Westen“ durch Verhandlungen den Krieg beenden solle. Denn erstens ist „der Westen“ keine Kriegspartei sondern Russland und die Ukraine. Zweitens finde ich den Begriff „der Westen“ mehr als problematisch – es gibt keinen monolithischen Westen. Es gibt eine Reihe von Ländern mit parlamentarischen Demokratien und liberaler Grundordnung, es gibt die Nato, vor kurzem noch als hirntot und obsolet gegolten hat, es gibt die EU, die wirtschaftlich einen großen Block darstellt aber politisch unzureichend organisiert und handlungsfähig ist, es gibt Staaten wie Japan, Taiwan und Südkorea, aber auch wie die Türkei und Ungarn … und ich wehre mich gegen diese unbrauchbaren und unzulässigen Vereinfachungen!

** Darüber habe ich auch schon geschrieben, dazu müsste man aber auch wissen, was man verteidigt und diese Werte „leben“. Der amerikanische Überfall auf den Irak ist hier ja inzwischen das Totschlagargument gegen jeden, der von der Bedeutung dieser Werte spricht. Wichtig wäre hier auch der Aspekt, dass wir jederzeit bereit sind, zivilgesellschaftliche Ansätze – oder Gesellschaften zu verraten – ich erinnere an Syrien, Afghanistan, Hongkong, die Ukraine, der Test bei Taiwan steht noch aus. Aber wenn Xiping etwa fordert, die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abzubrechen …

dazu noch ein link zu einem „Zeit“-Artikel – da geht es um die Zukunft der Liberalität. Ich bin absolut kein Anhänger der FDP – aber die Liberalität unserer Gesellschaft ist ein sehr wichtiges Ziel, ich möchte nämlich nicht in einer autoritären Gesellschaft leben in der das Denken und Leben, die Kunst und Kultur in der Folge über das notwendige Maß beschnitten werden – und ich bin überzeugt, dass autoritäre und/oder populistische Ansätze keines der drängenden Zukunftsprobleme lösen können!

 

 

An Fasching fängt der Krieg an …

Gedanken zum 24.2.2022:  … wenn der Krieg an Fasching anfängt

Gestern ging ich um viertel nach 6 zum Bäcker und freute mich über das prächtige Morgenrot, welches im Osten aufstieg. Nach einem langen Winter ein strahlendes rot-orangenes Band. Das Wetter war mild und ich dachte, dass ein langer, sehr grauer Seuchenwinter vorüber geht. Ab jetzt ist es jeden Morgen wenn ich zum Bäcker gehe nicht mehr finster. Und ich dachte daran, ob und wie ich dieses Morgenrot in ein Gedicht fassen könnte.

Wieder zuhause, schaute ich dann ins Internet und las von den Angriffen auf die Ukraine und Explosionen von Raketen bei Kiew. Ich war vollkommen geschockt, fassungslos und mir kam sofort die Assoziation zwischen dem Rot im Osten und den Flammen des Krieges. Sicher, ich hatte mit dem Schlimmsten gerechnet, aber es ist etwas anderes, wenn es dann wirklich los geht. Es ist nicht nur der Schock über die Kämpfe an sich – es ist dieses Gefühl der ohnmächtigen Wut. Unsere Kinder hatten sich verkleidet, sie wollten ein bisschen Fasching feiern in der Schule und nun der Kriegsbeginn. Ich dachte daran, ob es überhaupt noch zu rechtfertigen ist unter diesen Umständen zu feiern, ist es nicht geschmacklos, Ausgelassenheit zu zeigen und hielt dann an mich: Es sind ja Kinder – sie haben zwei Jahre Ausnahmezustand hinter sich – sie haben jedes Recht auf Freude – ich gönne es ihnen so.

Wahrscheinlich wusste das der einsame Herrscher im Osten nicht als er seinen Knechten befahl den Abzug zu drücken. Wahrscheinlich wusste er nicht, dass in seinem Land viele Menschen an den mangelnden Lebensumständen leiden, ihre Miete kaum zahlen können. Wahrscheinlich wusste er nicht, dass auch in seinem Land noch eine Pandemie herrscht die die Menschen bedroht. Wahrscheinlich wusste er auch nicht, dass diese Welt vor riesigen Herausforderungen wie der Klimakrise steht. Wahrscheinlich wusste er nicht, dass man von Nationalismus nicht abbeißen kann, wahrscheinlich weiß er nicht, dass in seinem Krieg Menschen sterben, vertrieben werden, entrechtet werden …er wird ja nur die Meldungen glanzvoller Siege zu sehen bekommen.

Ich werde sarkastisch, ich will nicht sarkastisch werden … aber wie gehe ich mit meiner Trauer, meiner Wut und meiner Ohnmacht um? Ich weiß es nicht – es wird irgendwie weitergehen müssen, meine Kinder haben ein Recht auf ihre Zukunft. Mir fällt nur ein, dass es wichtig ist jetzt und immer für die Zukunft dieser Kinder vorzusorgen. Und das schließt für mich ein, dass wir uns wehren gegen jede Form von Diktatur und Gewalt und sie und uns dafür sensibilisieren die so glitzernde Fassade die sie vorspielen, wie jetzt in Peking oder bald in Qatar zu durchschauen. Dass wir uns dafür sensibilisieren, mit wem wir Geschäfte machen und welche Werte diese Geschäftspartner vertreten. Das schließt ein, dass wir sie dafür sensibilisieren rücksichtsvoll miteinander umzugehen und die Not der anderen nicht zu übersehen. Und dass wir versuchen Erpressungen von Ohnmächtigen und Kleinen durch Mächtige und Große nicht mehr zu dulden, nicht mehr wegsehen – und sei es auf dem Pausenhof. Sehen wir zu, dass es in Zukunft nicht mehr zu spät sein wird um Einzugreifen sondern treten wir den Anfängern entgegen.

Ich weiß, das ist kein Patentrezept und das wird die einsamen Herrscher im Osten nicht interessieren aber viele von uns – und unsere Kinder werden sie überleben und unsere Kinder haben ein Recht auf eine gute Zukunft in Freiheit und ohne Angst und Unterdrückung .

Ich habe zu dem Thema noch ein Gedicht geschrieben, es heißt 5000 Helme und ich möchte noch auf eines aufmerksam machen, das stammt von Marko Ferst es heißt „Szenario der Macht„.

Ich habe gelesen, dass die Ukraine inzwischen doch Waffen geliefert bekommen soll – damit wäre natürlich das Gedicht von den 5000 Helmen hinfällig. Als ich diese Nachricht gelesen habe, ist mir spontan der alte baierische Spruch eingefallen: „Wia da Schimme doud is gwen, ham´s eam an Schippe Hei fürgehm – ned das d´Laid song: z´wengs da Noud war da Schimme doud.“

Ja, und viele „Putinversteher“ zeigen sich nun betroffen und reuig, Gerd Schröder hat sicher genug Anstand, um das Russlandgeschäft für zwei bis drei Wochen ruhen zu lassen – bis sich die Lage beruhigt und die Leute zu ihren Routinetätigkeiten auf Instagram zurückgekehrt sind. Auch Frau Wagenknecht ist betroffen, wenn echte Menschen getötet werden. Mir macht das Hoffnung, weil mir denke in fünfzig Jahren werden viele Leute auf die Folgen des Klimawandels zurückblicken und sagen:  „wenn wir das so schon vorher gewusst hätten …“.

Ich frage mich auch, ob der einsame Mann im Kreml bedacht hat, wie es nach der Entwaffnung des Brudervolks weitergeht. Mir fällt da der alte Nazispruch „und willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein“. Meint er, dass er wieder abziehen kann und die Ukrainer froh über ihre Befreiung ein Denkmal für ihn errichten? Meint er, dass die Versorgung eines so großen Landes nach einem Krieg keinen Aufwand bedeutet? Meint er dass er die Kontrolle durch kremltreue Beamte, Polizisten und Besatzungssoldaten aus dem Stegreif stemmt die er aus der Portokasse bezahlt?

Was mir noch kommt sind die Parallelen zum Dritten Reich, dem Überfall auf Polen und die Zeit davor. War da nicht auch die Rede, vom Genozid an Deutschen in Polen, so wie es jetzt die russische Seite in die Welt setzte? Davon, dass die Juden es schaffen würden, die Völker in den Krieg zu hetzen und dass seit 5 Uhr 45 zurückgeschossen wird nachdem polnische Einheiten in Deutschland eingedrungen wären. Davor eine Phase, in dem dem Gegner das politische unnd menschliche Existenzrecht abgesprochen wird. Eine alte Strategie: Wenn der Gegner kein Mensch ist sondern ein Nazi (wie offenbar die Ukrainer *) oder ein drogensüchtiger Clown, wie der Ukrainische Präsident Selenskyj, dann darf man ihn töten. Nein, ich möchte keine Nazivergleiche anstellen, es geht mir nur um die unglaubliche Perfidie mit der man jemand anderem die Schuld am Krieg in die Schuhe schieben will, den man selbst vom Zaune bricht. Auch damals ging es um Unrecht, dass den Deutschen nach dem ersten Weltkrieg zugefügt wurde (wahrscheinlich die größte geopolitische Katastrophe für den Herrn Hitler) und die Revision einer Friedensordnung. Nicht zu vergessen, dass der Herr Stalin dankbarerweise den Ostteil von Polen besetzte – da es ein Staat war, der in seinen Augen keine Existenzberechtigung hatte – und dazu noch die Bukowina von Rumänien besetzte und Finnland angriff. Davor fanden die Verhandlungen in München über die Zerschlagung der Tschechoslowakei statt. Die naive britische Appeasementpolitik, die Demütigung, ist heute sprichwörtlich. Ich glaube, Chamberlain war nicht so naiv wie viele deutsche Politiker heute – er wusste genau, dass die britische Armee zu diesem Zeitpunkt nicht gegen die Wehrmacht bestehen konnte. Ich erinnere mich, dass in einer Radiosendung der bayerischen Rundfunks am 22.2. mehrere Anrufer noch die russische Seite verteidigt hatten, da gab es z.B. genau dieses Argument, dass die Ukrainer ja einen Genozid an den Russen planten. Außerdem, dass die Ukraine ein „unsympathischer Unrechtsstaat“ sei in dem nur Oligarchen und Korruption regieren und dessen Existenzrecht daher in Frage gestellt wurde. Ich hab dann gegoogelt. Die Ukraine ist im Weltkorruptionsindex einer Aufstellung von Transperency International auf Platz 117, das ist in der Tat sehr schlimm  (je schlimmer, desto weiter hinten) – Russland auf Platz 139!

Mir fällt überhaupt auf, dass bei vielen fast nie die russischen Aggressionskriege ** thematisiert werden, wieviele Gebiete erobert und russifiziert wurden, wieviele Staaten besetzt und ihrer Rechte beraubt wurden – sondern nur die amerikanischen. Was ist mit der Eroberung des Kaukasus und von Zentralasien, mit der Kolonialisierung dieser Gebiete? Der Kenianische UN-Botschafter hat ja eine sehr beeindruckende Rede gehalten – über die Folgen von Kolonialpolitik und den Frieden- und Russland ja heute noch Kolonialmacht (die einzige neben Altbaiern, welches ja die Franken knechtet). Die Erfahrung der osteuropäischen Staaten mit Russland und der Sowjetunion sind verheerend! Wie kann man das vergessen? Leugnen? Diese Grßmachtsbestrebungen, diese imperialen Phantomschmerzen des eingebildeten Zaren erinnern mich frappant an den Schlusssatz der „Qualtinger“-Lesung von mein Kampf, das hysterisch in die Welt gebrüllte: „Deutschland wird entweder Weltmacht oder überhaupt nicht sein!“(der Ländername wäre hier auszutauschen).

In der Psychologie sagt man immer, wenn sich jemand immer nur von Feinden umgeben sieht, dann sollte er mal über seine Persönlichkeitsstruktur nachdenken … aber Psychologie spielt in der Politik natürlich keine Rolle.

Kurzer Themenwechsel zum Sport: Die olympischen Winterspiele sind zu Ende und möglicherweise hat Putin ja nicht früher angegriffen um seinem guten Freund Xi nicht das schöne Fest zu verderben (wobei ich mir immer denke, für den Herrn Xi ist der Herr Putin wohl nur ein nützlicher Idiot – ich weiß aber nicht wie der Herr Putin das sieht). Ich habe ja schon viel über Katar und den Fussball geschrieben. Im Vorfeld ist ja auch über Boykott nachgedacht worden. Ich finde, den Athleten den Boykott  zuzumuten unzumutbar – warum aber machen die Fernsehzuschauer denn keinen Boykott? Ist das den Millionen Sesselsportlern nicht zuzumuten? Sehr erstaunlich in diesem Zusammenhang ein Kommentar in dem der Medaillenspiegel als Farce. War das jemals anders? Wenn man den Medaillenspiegel im Verhältnis zur Bevölkerung hat man nämlich auf einmal Sportsupermächte wie Norwegen oder Australien. Sind die Norweger und Australier denn wirklich so viel zigmal sportlicher als alle anderen? Oder könnte das was mit der Anzahl der Wettbewerbe (wieviel Schwimm- oder Langlaufmedaillen gibt es im Vergleich zu einer Massensportart wie etwa Fussball und der Zahl der Sportler in diesen Bereichen) in manchen Sportarten und vor allem mit der massiven Sportförderung zu tun haben. Eigentlich ist das Ganze vollkommen witzlos! Da lobe ich mir das bevölkerungsreichste Land der Welt (ich glaube das ist Indien) – oder so ein Land wie Brasilien! Bezogen auf die Bevölkerung hoffnungslos hinten im Medaillenspiegel … wie sympathisch, ich liebe sie dafür!

Achja, und der Herr Abramovic, Oligarch und enger Putinfreund droht sein Spielzeug, den FC Chelsea zu verlieren – das sind die Dramen unserer Zeit. Der deutsche Chelseatrainer Thomas Tuchel ist sehr besorgt – dafür eine echte runde Mitleid! Ich glaube zu einer Runde Mitleid mit der Ukraine hat er sich noch nicht hinreissen lassen. Im Gegensatz zur Tochter von Herrn Abramovic! Ja, im Sport kommen die besten Seiten des Menschen zum Vorschein!

 

Zwei Sternchen:

* Ich bin ja ein großer Kabarettfan und als solcher erinnere ich mich noch sehr gut an die Diffamierung der ukrainischen Demokratiebewegung als Nazis durch Kabarettisten wie Helmut Schleich, Rainer Uthoff und Claus von Wagner. Diese liefern dann natürlich sogleich ihren legendären Faktencheck – aber ich fand es schon damals unerträglich.

** die Liste im link, das sind natürlich nicht alles Aggressionkriege, man möge aber Bedenken, dass im z.B. im ersten Weltkrieg Russland als erste Großmacht die Mobilmachung anordnete und die russischen Truppen sofort nach Kriegsbeginn mit einer massiven Invasion nach Deutschland und Österreich-Ungarn begonnen haben. Und anbei noch ein interessanter link, der die Rolle der Sowjetunion im spanischen Bürgerkrieg beleuchtet.

Man möge mir meinen Sarkasmus in manchen Punkten verzeihen – aber vieles ertrage ich nur so. Schließlich kommt der Frühling und Corona scheint uns nun bald doch mal (zumindestens für eine Weile) in Freiden zu lassen. Hoffen wir als auf ein schönes Frühjar und dass die Magnolienblüten dieses Jahr nicht erfrieren…

 

Der Papst, der Herr Putin und der Herr Seehofer

Der Papst, der Herr Putin und der Herr Seehofer

oder:  Werte, Werte, Werte …

Mein Gott, wie die Zeit vergeht – es ist schon Januar, der zweitunbeliebteste Monat der Deutschen – zu seiner Ehrung ein Gedicht. Und die fünfte Welle droht – ein deja vú. Ein Blick in die Zeitung – wieder ein deja vu: Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche, diesmal soll der Ratzinger was damit zu tun gehabt haben. Gähn, warum wundert mich das nicht? Wo soll da der Neuigkeitswert sein? Immerhin hat er gesagt, er wolle für die Opfer beten. Da werden sich die Opfer freuen.

„Des Johr gähd scho wieder guad los“ …hätte wohl Matthias Kneißl gesagt. Trotzdem wünsche ich allen Lesern natürlich ein gutes neues Jahr!

Ein weiterer Blick: Seehofer soll Berichte des Verfassungsschutzes über die AfD beschönigen lassen haben?! Das erstaunt mich dann doch, ich habe eigentlich immer viel vom Herrn Seehofer gehalten, ja, …lang ists her. In diesem Zusammenhang taucht unwillkürlich die Hackfresse von Hans-Georg Maaßen in meinem Gedächtnis auf. Ich bedauere den Ausdruck „Hackfresse“, denn ich bin ja Humanist und will mich nicht dem allgemeinen Niveau des Internets anpassen. Aber diese Brille, die finde ich irgendwie typisch – den eingeschränkten Scharfblick betonend.

Und dann kommt Putin und die Ukraine. Jetzt nichts Falsches schreiben! Ich gehe noch mal googeln. Als latenter Feminist lande ich auf der Seite von Emma (tatsächlich! Ich weiß nicht mehr warum) – dort steht ein erhellender Bericht: Der Westen hat 2001 die ausgestreckte Hand des Herrn Putin zurückgewiesen. Wusst´ ich´s doch, der Westen ist schuld! Herr Putin hat durch dieses traumatische Kindheitserlebnis (damals war er erst ein Jahr an der Macht) den Glauben an das Gute im Westen verloren und hat sich zwangsläufig so entwickeln müssen. Die meisten Neonazis hatten auch eine schwere Kindheit und auch die Islamisten. Nein, ich will nicht noch ätzender werden und viele Putin-Versteher sind sicher Menschen mit ehrenwertem Hintergrund. Die Deutschen sollen sich auch nicht anmaßen, über Russland zu urteilen, nach 1941! Es sind damals zwar anteilsmäßig mehr Weißrussen (darf man das noch schreiben?) und Ukrainer umgekommen, aber sei´s drum. Der Ukrainer ist ein Nazi (wahrscheinlich hatte er auch eine schlechte Kindheit unter dem Herrn Stalin) und daher nicht fähig, ein Staatswesen aufzubauen, das es Wert wäre es so zu nennen … oder gar dafür einzustehen.

Weil mir vorher die „Hackfresse“ eingefallen ist, beim Herr Putin kommt mir bezüglich seines Umgangs mit der Ukraine immer das Bild eines alten Machos, der seine „Ex“ grün und blau schlägt, weil sie einen anderen angeschaut hat.

Zu meinem „Ätzausbruch“ vorher: Mich wundert es eigentlich, dass die Tendenz russischen Imperialismus und russische Aggression zu verharmlosen, ja zu negieren oft aus der linken Ecke kommt. Bei der AfD wundert es mich nicht, die Vertreten ein ähnliches Weltbild wie der Herr Putin – und werden wahrscheinlich auch durch diesen gefördert (bei der AfD bin ich mir unsicher, aber andere rechte Parteien wie der Front National haben Unterstützung aus Russland erhalten). Ich habe immer den Eindruck, da herrscht noch dieser alte Glaubensatz vor: Die Amis sind die Wurzel allen Übels. Um nicht missverstanden zu werden: Im Namen der USA bzw. der US-Außenpolitik wurden katastrophale Fehler begangen und unsägliche Regime unterstützt. Aber die Amis haben kein Patent auf Imperialismus. Und die Parolen von der Schuld des Westen sind ähnlich unterkomplex (mein Lieblingswort!) wie viele dieser zu einfachen Welterklärungsmodelle. Ich finde gerade dieses Welterklärungsmodell fast rassistisch, weil es unterbewusst der Vorstellung folgt, nur „der Westen“ sei zu eigenständigem politischen Handeln fähig.

Wenn ich alle drei Zeitungsmeldungen vergleiche komme ich zu meiner alten These, dass es fatal ist, nicht zu seinen Werten zu stehen, weil es die Glaubwürdigkeit vollkommen unterminiert. Sei es der Verrat von Herrn Seehofer an den Aufgaben seines Amtes als Innenminister indem er rechtsradikale Tendenzen verharmlost. Sei es der Herr Ratzinger, der Täter deckt und damit seine propagierten christlichen Werte, wie die Nächstenliebe verrät. Seien es diejenigen, die im Ukrainekonflikt die Schuld dem Westen zuschreiben und damit das Regime des Herrn Putin exkulpieren.

Das hat wiederum die Folge, dass sowohl die eigene Gesellschaft das Vertrauen in die Politik (bzw. Kirche) verliert als auch dass Menschen anderer Länder, die auf Werte wie Demokratie, Menschenwürde und eine freiheitliche, zivile Gesellschaft hoffen enttäuscht werden. Wie blind muss man sein, um das nicht zu sehen? Ich verstehe auch nicht, warum man die Opposition in Russland so im Regen stehen lässt. Es sind – trotz staatlicher russischer Propaganda und stark eingeschränkter Pressefreiheit sehr viele Russen nicht mit dessen Regime einverstanden. Was mögen Weißrussen oder Syrer denken, die für ihr Eintreten gegen die Diktatoren, die von Putin gestützt werden Folter und Verfolgung ausgesetzt sind – wenn viele im Westen kein Problem mit dessen Regime haben? Warum setzt man daher so oft das „Putin-Regime“ mit „Russland“ gleich? Warum nimmt man es fast protestlos hin, wenn der Herr Putin Oppositionelle im Inland einkerkert, im Ausland töten lässt? Wie kommt man darauf, in dem Fall auf den Herrn Assange hinzuweisen – wie wenn der eine Fall die anderen entschuldigen würde? Warum zeigen sich manche politischen Kräfte oder Vertreter, die sonst sehr fortschrittlich denken, sich für eine offene und gerechte Gesellschaft einsetzen ausgerechnet diesem Autokraten gegenüber so blind?  Manchmal kommt dann noch der halbherzige  Halbsatz: „Ich habe ja nicht gesagt, dass ich den Herrn Putin gut finde“ – etwa vom Anstaltskabarretisten Rainer Uthoff – aber der liefert dann einen „Faktencheck“ hinterher (Wie armselig muss Kabarett sein, wenn es einen Faktencheck benötigt?)

Mich lässt diese Diskussion fassungslos, entsetzt und wütend zurück, aber ich habe ja nur eineinhalb Liter Hirn zur Verfügung, da passt einfach vieles nicht mehr rein …

Dunkel erinnere ich mich, dass wir eine Pandemie haben, dass die Klimaerwärmung ungebremst weitergeht, das täglich Arten für immer von der Erde verschwinden, dass jedes Jahr weltweit über eine Million Menschen an multiresitenten Keimen sterben, dass … wären das nicht die eigentlichen Probleme, die es anzupacken gilt? Müssten dazu nicht Institutionen wie die EU oder die UNO zusammenarbeiten? Wo ist Greta? Warum müssen wird die Aufmerksamkeit stattdessen diesen drei alten Männern widmen?

Trotzdem hab ich ein bisschen was geschrieben, so hab ich mich in konkreter Poesie versucht und ein paar Kurzgeschichten geschrieben. Zu Zweien hier ein Link: „Knochen im Garten“ und „Goiabada„. Die erste Geschichte besteht aus mehreren Kapiteln -man muss also weiterklicken.

Ein kleines p.s. zum Herrn Putin: Ich weiß nicht, ob das so der Realität entspricht, aber es ist schon der zweite Artikel, den ich gelesen habe, der in diese Richtung geht. Ich denke schon, dass es ein großes Problem autoritärer Führungen ist, dass sie in einer „Blase“ von Jasagern leben und somit den Kontakt zur Realität verlieren. Das wirft man unseren Politikern zwar auch vor – aber jeder bei uns hat die Möglichkeit, in eine Bürgersprechstunde zu gehen – oder diese Politiker wieder abzuwählen.

Noch ein Gedanke: Ist das Gezänk um Nortstream2 und die Abhängigkeit vom russischen Gas nicht ein schlagendes zusätzliches Argument um sich endlich aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu befreien? Durch die diese Abhängigkeit sind wir doch immer wieder in der Gefahr, von autokratischen Regimen erpressen zu lassen…

 

 

 

Zardoz, der Wahl-o-mat, die eklige weiße Gesellschaft und Frau Stock

ganz kurz vorneweg: sarah-lee heinrich hat sich inzwischen für die „eklige weiße Mehrheitsgesellschaft“ entschuldigt und damit sollte manes dann auch gut sein lassen, was ihre person betrifft  – ich lass es trotzdem mal in der überschrift, wegen der aufhängerwirkung für das thema. 

Mein Gott, wie die Zeit vergeht – es ist schon November, der unbeliebteste Monat der Deutschen – zu seiner Ehrung ein Gedicht. Die Bundestagswahlen waren und die vierte Welle droht – ein deja vú. Ich hab damals ja den Wahl-o-mat gemacht – und eine andere Empfehlung bekommen als ich dann tatsächlich gewählt habe. Aber ich habe immer das Gefühl, da werden nie die wesentlichen Fragen gestellt. Es geht immer um isolierte Fachfragen – etwa wie man zum Mietendeckel steht. Ich finde das äußerst problematisch, weil ich denke, dass die Mietsituation in vielen Städten äußerst angespannt ist und dieses Problem eines der drängendsten unserer Gesellschaft ist – es wird aber nicht danach gefragt, ob man sich wünscht, dass die Politik sich auf dieses Problemfeld konzentriert – sondern nur, wie man diese einzelne Maßnahme sieht – unabhängig von ihrem Sinn. Und so geht es mir mit vielen Themenfeldern. Warum fragt man denn nicht viel grundsätzlicher – ob man etwa für mehr staatliche Maßnahmen ist, ob man für mehr Umverteilung in der Gesellschaft ist, ob man für eine größere unternehmerische Freiheit ist – mit allen ihren Konsequenzen – ob man für eine striktere Umweltpolitik ist und dabei auch Einschränkungen befürwortet – oder etwa ob man für mehr oder weniger Zuwanderung in der Gesellschaft ist – usw. … . Hier liegen doch die Konfliktlinien in unserer Gesellschaft!?

Ich sehe die Spaltung unserer Gesellschaft in immer mehr „Fraktionen“ für ein zentrales Problem. Ich denke hierbei nicht nur an die Trennungslinien zwischen rechts und links, Querdenkern und Rationaldenkern oder etwa den traditionellen Linken und der identitären Linken. Viel wichtiger halte ich das Problem der Spaltung in arm und reich – und hier meine ich vor allem eine Schicht von Superreichen, die sich unserer Gesellschaft immer mehr entziehen und sich von ihr abkoppeln – und auf der anderen Seite die Möglichkeit haben einen vollkommen überproportionalen Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. Hier sei neben dem Link (da geht es um den großen Einfluss der „Reichen“ auf das Klima), etwa auf den Einfluss „Reicher“ auf den Sport hingewiesen, wenn irgendein „Scheich“ oder „Oligarch“ sich einen Fussballclub als Spielzeug zulegt – und damit das Gefühlsleben von Millionen Fans beeinflusst. Hier sei auf den unheilvollen Einfluss von Medienmogulen hingewiesen, die über ihre „Imperien“ etwa rechtspopulistische Tendenzen fördern.  Ich habe versucht, dieses Problem im Text Zardoz zu anzusprechen – dazu aber noch keine Rückmeldungen bekommen. Schade!

Kleines P.S. an dieser Stelle: ein paar Tage nachdem ich diese Zeilen geschrieben habe, habe ich ein Interview mit dem US-Historiker Timothy Snyder gelesen, der sich mit „Zardoz“ und anderen Texten ziemlich gut ergänzt und ebenfalls die gegenwärtige Gefährdung der Demokratie thematisiert.

Was mich in diesen Tagen noch bewegt ist die Erkenntnis, das ich zur ekligen weißen Mehrheitsgesellschaft gehöre. Ich bin zwar nur ein alter weißer Mann, aber ich empfinde diese Äußerung (die immerhin von der Jugendsprecherin einer zukünftigen deutschen Regierungspartei stammt), als diffamierend und sie trifft mich. Ich frage mich immer, wie man in unserer Gesellschaft mehr Menschlichkeit und Zusammengehörigkeitsgefühl schaffen will, wie man Probleme der Integration und des Rassismus überwinden will, wenn man sich so verletzend aggressiv verhält? Ich denke überhaupt, es ist ein Grundproblem der sogenannten „identitären Linken„, die Gesellschaft in immer differenzierte Täter- und Opferkategorien einzuteilen. Dies wird weder der Ambivalenz der Menschen die in diese Kategorien eingeteilt werden gerecht, noch trägt es dazu bei, die Gesellschaft weiterzubringen. Man wird ja auch nicht gefragt, ob man sich selbst mit einer dieser Gruppen identifiziert, man wird einfach eingeteilt und in eine Schublade gesteckt. Ich denke, dieses Verhalten ist Antihumanistisch weil der Humanismus immer vom Wert und der Einzigartigkeit des Individuums ausgeht. Man muss demnach versuchen den Einzelnen kennenzulernen und zu versuchen ihn in allen seinen Facetten und mit seiner Geschichte zu betrachten, erst dann kann man ihn bzw. seine Ansichten gegebenenfalls auch ablehnen – das bin ich ihm in diesem Falle schuldig. Wenn ich Menschen immer nur in Kategorien stecke verhindere ich genau dieses. Ich muss versuchen, im Flüchtling, im Schwulen, im Türken, im Fremden, im Deutschen, im alten weißen Mann einen individuellen Menschen zu sehen, das ist für mich essentiell um eventuelle Vorbehalte zu überwinden. Das ist gleichzeitig aber eine Forderung, die sehr schwer durchzuhalten ist und mich wie viele andere überfordert. Darum geht es aber nicht – es geht darum, sich immer wieder am Kragen zu fassen und daran zu denken, dass der andere mehr ist als eine kategorische Zuschreibung. Ich denke nur so werden wir es schaffen, die Probleme, die sich etwa durch die Zuwanderung ergeben zu bewältigen. Nur wenn ich den anderen kennenlerne kann ich ihn schätzen lernen und wird er kein Fremder bleiben. Man mag natürlich der Meinung sein, dass zu viel Zuwanderung für unsere Gesellschaft nicht gut ist – aber wir leben nun mal in einer Gesellschaft mit sehr vielen Migranten. Das ist Realität – und wir dürfen die Realität nicht leugnen sondern müssen mit ihr konstruktiv umgehen. Diese Forderung richtet sich natürlich nicht nur an die „Biodeutschen“ sondern in gleicher Weise an die Zuwanderer. Wer hier nicht mit unseren gesellschaftlichen Grundwerten (etwa: Freiheit des Individuums, der Kunst, des Denkens, Gleichberechtigung der (aller) Geschlechter, Demokratie, Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit) übereinstimmt muss sich fragen lassen, ob er hier dauerhaft am richtigen Ort ist. Ich denke eines der großen Probleme der Integration ist es, dass sich viele Zuwanderer hier nicht willkommen, geschätzt und anerkannt fühlen. Jeder Mensch hat das zentrale Grundbedürfnis in seiner Person, als Mensch geschätzt zu werden – und wenn ich das Gefühl habe, von der Gesellschaft, in der ich lebe nicht geschätzt zu werden, werde ich mich damit nicht identifizieren und mich nicht konstruktiv beteiligen. Das gilt wiederum nicht nur für Migranten sondern natürlich genauso für Nichtmigranten. Und es kommt zur Desintegration von verschiedenen Bevölkerungsanteilen, wenn sie sich nicht mehr geschätzt und in ihrer Leistung gewürdigt fühlen – siehe etwa die absteigende oder von Abstiegsänsten zerfressene weiße Mittelschicht in den USA und Trump.

Ich kann den anderen aber nur schätzen lernen, wenn ich ihn kennenlerne. Kann ich ihn nicht kennenlernen, muss ich ihm zugestehen, ein Mensch zu sein  mit den gleichen Grundbedürnissen wie ich – und da steht Wertschätzung ganz weit oben. Weil ich in der realen Welt nicht alle Menschen kennenlernen kann ist etwa ein Aspekt wie Höflichkeit und Freundlichkeit von großer Bedeutung.

Wieder zurück zum Rassismus/Antirassismus. Mein Vater hat im Pflegeheim viele Kräfte mit Migrationshintergrund. Neulich war er bei uns zu Besuch mit einer jungen Afrikanerin als begleitender Pflegekraft (das ist bei ihm medizinisch notwendig). Ich traute mich dann doch über meinen Schatten zu springen und fragte sie, wo sie herkam (aus Kenia). Für mich war das die nächstliegende Frage um in ein etwas näheres oder persönlicheres Gespräch zu kommen – und den/die andere kennenzulernen. Ich hatte davor aber ernsthafte Skrupel, weil ich es immer wieder gelesen habe, wie unangenehm und rassistisch es sei, jemanden so nach seiner Herkunft anzusprechen.

Ich denke es tut unserer Gesellschaft überhaupt nicht gut, dem unbarmherzigen und rigiden Ton zu folgen, den ich aus sogenannter „antirassistischer Ecke“ wahrnehme (ich empfinde das so!). Wir müssen offener, wärmer und menschlicher miteinander umgehen.

Wenn ich mir anschaue, was in England im Streit um die (feministischen) Philosophin Kathleen Stock geschehen ist wird mir mulmig. Wenn ich sehe, wie angeblich progressive Kräfte versuchen jemanden mundtot zu machen und wegzumobben wird mir ganz schlecht. Ich denke gerade die Frage nach der Geschlechtsidentität ist eine die der offenen philosophischen Betrachtung bedarf – und solch eine Diskussion mit Hinweis auf eventuell verletzte Gefühle von Transpersonen abzutöten ist inakzeptabel für eine offene Gesellschaft und unmenschlich gegenüber der betroffenen Person.

Um noch einmal auf das Grundthema zu kommen -wenn man die Menschheit in Täter- und Opferkategorien einteilt und dann auf die selbsteingeteilten „Täter“ einprügelt ist niemandem geholfen, es vertieft nur die Gräbern in unserer Gesellschaft und reißt neue auf. Eine solche Haltung ist zutiefst antihumanistisch – auch wenn sie vorgibt, die Interessen von Minderheiten zu schützen, weil sie den Menschen eben nur als Angehörigen einer Kategorie betrachtet – und nicht bereit ist ihn als Individuum zu betrachten. Im Gegenteil: Die Einteilung in Kategorien verhindert Offenheit und das gegenseitige kennenlernen. Um das Ganze zu unterfüttern hier noch mal der Link dazu: die-antiaufklaererische-dimension-linker-identitaetspolitik.

Es geht doch darum, in der Gesellschaft patriarchalische, chauvinistische, rassistische und sexistische Einstellungen zu bekämpfen. Wenn  man jetzt zum Beispiel gegen alte weiße Männer polemisiert unterstellt man diesen offensichtlich, dass sie diese Einstellungen vertreten – d.h. man macht etwas, was man ablehnt an einem biologischen Merkmal fest – und genau das ist für mich Rassimus. Jemanden für ein „angeborenes“ Merkmal in „Haftung“ zu nehmen, für das er nichts kann. Und ich denke mir dann immer was ist denn das Ziel der Menschen, die solche Begriffe als Kampfbegriffe führen? Ist es ideologische Verblendung oder ist ihnen dieses Problem unbewusst?

Warum schreibe ich das? Ich bin Humanist – und als Humanist fühle ich mich den Idealen der Aufkärung verpflichtet und verbunden. Ich denke, die Aufklärung, die ja beileibe kein abgeschlossener Prozess ist, ist die Voraussetzung für humanistisches Denken. Ich sehe die Aufklärung als einen der entscheidenden Fortschritte der Menschheit an – und ich halte das aufklärerische Denken heute von vielen Seiten bedroht. Die Ablehnung der Aufklärung von rechter Seite ist ein altes Phänomen – rechte Ansichten leugnen die Gleichwertigkeit der Menschen – umso besorgter bin ich, wenn solche Tendenzen – wenn auch oft versteckt von anderen Seiten kommen.

Ich hoffe es war kein zu schweres Thema um den Herbst zu geniessen! Auch der November verdient unsere Aufmerksamkeit!

 

Von Konstantin Wecker zu Zardoz

 

Wie immer, wenn mir was im Kopf umgeht und ich etwas schreibe kommt mir jemand anderes zuvor, diesmal war es Lamya Kaddor, die ich sehr schätze mit ihrer Kolummne Wie Joe Biden den Abstieg des Westens beschleunigt. Sie schreibt darin sehr vieles von den Gedanken, die mir ganz ähnlich kommen, vom Verrat an den westlichen Werten und an den Menschen, die auf sie vertrauten, vom Alleinlassen der Menschen in Afghanistan, wie zuvor schon in Syrien und anderen Ländern. Von den damit verbundenen negativen Folgen und dem Verlust von Einfluss in dieser Welt, die Ordnung und Hoffnung so nötig hat. Vielleicht wirkt sie hierbei  glaubwürdiger als ich, denn sie ist Muslima.

Ich habe viele meiner Gedanken zu diesem Thema ja schon in den vergangenen Texten geschrieben – jetzt habe ich noch einmal einen längeren Text unter dem Titel Zardoz geschrieben: Darin geht es um die Widersprüchlichkeiten der heutigen Welt, die Notwendigkeit, unsere Zivilgesellschaft zu schützen und zu fördern und um die Gefahr, die ich in der Verführung der Menschen durch Populismus und autoritäte Systeme, durch vermeintlich einfache Lösungen. Warum der Text „Zardoz“ heißt? Da muss man ihn lesen!

Dazu drei längere Anmerkungen:

1.) Ich habe mehrfach versucht, Lamya Kaddor zu kontaktieren, weil sie in einem Artikel auf der Webseite qantara schreibt, es fehlt ihr an einem Dialog zwischen Muslimen und Atheisten. Ich fände das auch sehr spannend, aber sie hat nicht zurückgeschrieben. Wenn mir einer hier helfen kann? Qantara ist sowieso eine tolle Seite für jeden, der sich für die muslimischen Länder, ihre Kultur, ihre Probleme und Entwicklung sowie die Beziehungen zwischen ihnen und dem Westen interessiert – und es ist eine ideologiefreie Seite.

2.) Ich war in meiner Jugend immer ein großer Konstantin-Wecker-Fan, ich war immer ein großer Bewunderer seines eleganten und gekonnten Umgangs mit der deutschen Sprache und natürlich seiner Musik, seiner Leidenschaft. Vor kurzem habe im Radio ein neues Lied, Utopia von ihm gehört. Ich habe es nicht ausgehalten, habe es nach nicht einmal einer Minute abgeschaltet. Warum? „ohne ehrgeiz, ungehetzt, alle leben nur im jetzt“, Im weiteren Liedtext schreibt er zwar: „nennt mich einen Spinner“ „nennt es weltfremd“ und  aber ich konnte den Text einfach nicht ertragen. Ich denke wir leben in einer Welt, die uns vor große Probleme und Herausforderungen stellt. Innerhalb unserer Gesellschaft habe ich ein Problem mit den Leuten, die den großen Vereinfachern folgen (Populisten wie Vertretern von Verschwörungstheorien). Unsere Welt ist komplex und verlangt daher differenziertes Denken und keine Ignoranz – unsere Probleme sind nicht mit der Pipi-Langstrumpf-Methode zu lösen. Und genau das vermittelt mir der Wecker-Song: Alles wäre schön, wenn wir lieb miteinander wären. Alles wäre gut, wenn wir gut wären. Ich empfinde den Text nicht mehr als „poetisch“ sondern nur noch als peinlich-dümmlich. Man verzeihe mir diese harten Worte. Hat er jemals darüber nachgedacht, dass wir fast alles, was unser Leben sicher und angenehm machen dem Ehrgeiz, der Leistungsgesellschaft und der Anstrengung von anderen Menschen verdanken? Sei es die Spritze beim Zahnarzt, sei es das Fahrrad, das und unweltfreundlich von A nach B bringt, sei es der gute italienische Rotwein, der dem Künstler zu solchen Höhenflügen verhilft, sei es das Radio, welches seine Zeilen in eine Welt trägt, die darauf gewartet hat.

3.) Interessant ist immer bei Artikeln, bei denen es um das Versagen des Westens geht, wie schnell und mit welcher Häme die Putin-Fans und Chinaverehrer auf den Zug springen. Ich weiß nicht wie viele das sind und ob sie alles bezahlte Trolle sind, aber ihre Argumente finde ich oft äußerst problematisch. Neulich habe ich nach „Medien politische Ausrichtung“ gegoogelt. Da taucht an prominenter Stelle ein Schema (mehrfach) auf, bei dem das wesentliche Kriterium zur Beurteilung „Nato-konform oder Nato-kritisch“ ist. ich musste feststellen, dass ich total einseitig informiert bin, weil ich eher auf Medien wie die Süddeutsche, die Zeit oder ähnliches Lese – das ist Pro-Nato Hetze! Zum Ausgleich sollte man öfter bei den Freunden von RussiaToday, china.org oder KenFM reinschauen. Ken Jebsen kennt sich ja auch sonst sehr gut mit alternativen Wahrheiten aus, man frage auch bei Xaver Naidoo nach.

Bleibt noch die Weisheit von Angela Merkel: „Hinterher, im Nachhinein präzise Analysen und Bewertungen zu machen, das ist nicht wirklich kompliziert. Hinterher, im Nachhinein alles genau zu wissen und exakt vorherzusehen, das ist relativ mühelos.“ Ja klar, woher hätte man denn auch wissen können, dass der Winter kommt, dass man schauen hätte sollen, bevor man die Straße überquert, dass CO2 Infrarotstrahlung (= Wärmestrahlung) absorbiert, dass man von Rand der Welt fällt, wenn man zu weit segelt,…

P.S.:

Auch gut: Joe Biden will die Attentäter des Selbstmordanschlags auf dem Kabuler Flughafen zur Rechenschaft ziehen.

P.P.S.:

Das fehlende „i“ bei Xaver Naidoo ist kein Druckfehler sondern soll sein „deutsch sein“ betonen. Nein, das ist nicht rassistisch gemeint sondern eine Anspielung auf den Nationalismus, den dieser Herr an den Tag legt.

P.P.P.S.:

In „Zardoz“ spielt Beethovens 7.Symphonie eine tragende Rolle als Filmmusik. Das ist wichtig, weil es meine Lieblingssymphomie meines Lieblingskomponisten ist und eine Musik (vor allem der zweite Satz), die mich immer wieder zu tiefst berührt und mir eine Gänsehaut macht. Ich bin immer am überlegen, was dieses Stück hat, dass es mich so bewegt und ich bedaure, dass es meine Ausdrucksfähigkeit so überfordert, über Musik zu schreiben. Darin liegt etwas zu tiefst zauberhaftes, sehnsuchtsvolles, melancholisches, leicht schräges – ich bin jedesmal überwältigt! Und warum packen mich dann andere oft Stücke gar nicht?

 

 

Die Taliban, Lionel Messi und ein atheistischer Katholik

Die Taliban, Lionel Messi und ein katholischer Atheist

Jetzt ist es also passiert, …die TalibanInnen (wahrscheinlich kann man sich hier das Gendern sparen, die Frauen kommen ja erst im Paradies dazu) haben Afghanistan überrannt, „der Westen“ schaut zu und in die Röhre. Mich hat die Schnelle des Zusammenbruchs des afghanischen Regimes dann doch überrascht, die Taliban sind keine afghanische Volksbewegung (sie sind ein Kind des pakistanischen Geheimdienstes und vor allem saudischer Finanzierung)* und werden nicht von einer breiten Massenbewegung unterstützt. Einen interessanten Artikel dazu las ich in der NZZ. Dieser erklärt plausibel, wie u.a. die Wurstigkeit und mangelnde Kontrolle der westlichen Investoren einen Staat aufbauen half, der zutiefst von Korruption geprägt und zerfressen war. Inklusive Geistersoldaten (das sind Soldaten, die nur auf dem Papier existieren, damit jemand dafür Geld kassieren kann) und hungernder (=unmotivierter) Armeeeinheiten, deren Soldzahlungen an anderer Stelle versickerten**.

Ich habe schon einmal geschrieben, dass es ich kein Freund dieser verkürzten „der Westen ist an allem Schuld“-These bin. Natürlich geht das Debakel in Afghanistan in wesentlichen Punkten auf ein Versagen der Politik der USA und zum Teil von deren Verbündeten zurück, aber diese These unterstellt immer, dass „der Westen“ ein relativ einheitlicher Block wäre, der unter der Führung von Politikeliten eine langfristige, konsistente, zielgerichtete Welt(-Politik) verfolgte – und das erinnert mich stark an die Grundlage vieler Verschwörungstheorien (erinnert sei hier an Begriffe wie „Finanzjudentum“ und „Deepstate“).

Mir scheinen die Geschehnisse eher das Gegenteil zu nahezulegen, sie offenbaren eher eine unglaubliche, entsetzliche Planlosigkeit und Naivität, ja Ignoranz. Dies betrifft sowohl die US-amerikanische Politik, die zwar schnell ein Land besetzen kann aber überhaupt keinen Plan für das danach besitzt als auch die bundesrepublikanische. Ich will keine ungerechtfertigten Gleichsetzungen ziehen, aber mir fällt eine ähnliche Planlosigkeit auf, wenn ich an die Überschwemmungskatastrophe in diesem Sommer, die zögerliche Klimapolitik und die Probleme in der Corona- „Verwaltung“ geht. Mutlosigkeit, Planlosigkeit, Verantwortungslosigkeit – fehlender Gestaltungswille. Ich habe immer den Eindruck, dass strategisches Denken in Deutschland (seit 1945) verpönt ist und daher kaum noch stattfindet . Es ist aber notwendig, weil man wissen muss, wo man hin langfristig will und wie man diese Ziele erreichen kann – und zwar in jeder Beziehung. Und weil man sich überlegen muss, welche Auswirkung heutiges Handelns auf zukünftige Ziele hat.

Es ist hier ein leichtes, die Schuld „den Politikern“ zuzuschieben – aber erstens sind auch „die Politiker“ weder ein einheitlicher Block noch eine einheitliche Klasse – und zweitens haben wir sie gewählt. Anbei: Christian Lindner plakatiert gerade: „Nie gab es mehr zu tun“ nur, er verrät uns leider nicht was zu tun ist, aber das sollen wir dann wahrscheinlich auch wieder den „Profis“ überlassen. Wünschen wir uns hier nicht alle zu oft einen starken Mann (der könnte natürlich auch weiblich sein – etwa eine Reinkarnation von Margaret Thatcher), der weiß was zu tun ist und der uns sagt, wo es lang geht? Nur, was tun, wenn der dann in eine Richtung geht, in die wir nicht wir nicht mitgehen wollen (der Verdacht beschleicht mich auch bei Christian Lindner)? Die Stärke der autoritären Regime ist – und das muss man sich immer bewusst machen – eine Scheinstärke. Sie beruht auf einer Fehlwahrnehmung die daher kommt, dass autoritäre Regime die Probleme ihrer Länder/Menschen/Politik eben nicht öffentlich machen sondern die freie Berichterstattung darüber unterdrücken – und Probleme, über die nicht berichtet wird existieren dann eben nicht!? Oder glaubt irgendwer, dass uns etwa die chinesische Regierung die volle Wahrheit über Corona – den Ausbruch, die Herkunft, die „erfolgreiche“ Bekämpfung oder etwa die Probleme dabei erzählt? Und warum sollte man glauben, dass etwa die Wirtschaftsdaten – mit denen wir uns ständig vergleichen- aus diesem extrem autoritären wie zentralisierten Land korrekt sind? Wer überprüft sie? Ich weiß, es gibt auch in unserer Gesellschaft den Vorwurf der „Systempresse“ (auch von linker Seite) – nur dieser Vorwurf hält einer näheren Überprüfung nicht statt und jeder der will kann sich über existierende Probleme von vielen Seiten informieren. Ein Problem stellt bei uns auch nicht die „Systempresse“ dar sondern viel eher (oft von dubiosen Milliardären betriebene) Privatmedien, wie bei uns die Bild-„zeitung“, in den USA Fox-News oder Breitbart, die Hetzkampagnen mit politisch problematischer Zielsetzung betreiben (oder die derzeitige dubiose Plakataktion im Wahlkampf gegen die Grünen).

Da auch keine unabhängige Justiz existiert, kann man sich – in einem autoritären Regime- auch bei niemandem beschweren und sein Recht einklagen. Man muss mich deswegen – unter der Hand – und mit viel Geld an die entsprechenden Stellen wenden um deren Wohlwollen zu erreichen. Das sollte uns alarmieren, denn so entsteht eine ausufernde Korruption und Korruption ist in autoritären Regimen systemimmanent, es wird nur nicht darüber berichtet. Und Korruption korrodiert jedes politisches und wirtschaftliches System – so wie eben jetzt das afghanische Regime.

Und darin sehe ich eine der großen Gefahren des Afghanistan-Debakels: Dieses offensichtliche Versagen des Westens, seine Unfähigkeit, seine Inkonsequenz und das im Stich lassen aller Afghanen (und Afghaninnen), die ihn und seine Werte*** unterstützt haben untergräbt – national und international das Vertrauen in dessen Werte wie in dessen Vertrauenswürdigkeit – und treibt viele Leute weiter in die Arme von autoritären oder „alternativen“ Heilsversprechern und Menschenverächtern wie Dschihadisten.

Noch etwas: Glaubt irgendwer in der modernen Wirtschaft, dass ein zentral gesteuertes, hierarchisches System einem dezentralen, welches auf Eigeninitiative und Verantwortung setzt dauerhaft überlegen ist?

Womit wir beim Sport und bei Lionel Messi sind – der jetzt zu Paris Saint-Germain gewechselt ist und nun auch von Katar (= Muslimbrüder) finanziert wird. Den russischen Oligarchen in London war er wohl auch zu teuer. Und der FC Barcelona hat immer auf Brustwerbung verzichtet und dafür den Unicef-Schriftzug getragen, dafür ist er jetzt Pleite. Welch ein Hohn!  Ist da noch Sport oder ist es nur noch der Missbrauch des Phänomens durch autoritäre Systeme? Nicht nur das „Brot und Spiele“ zur Ruhigstellung der Massen, sondern eine unfaire Sympathiewerbung unsympathischer Hintermänner. Oder gehört es in die Kategorie „wer hat den Größten“? Das ist sehr wichtig unter diesen Menschen – seien es Wolkenkratzer in Dubai, Paläste am Bosporus oder auf der Krim, Luxusjachten – oder Fussballclubs?

Auch die olympischen Spiele sind vorbei und die Deutschen haben versagt ! Mehrmals musste ich lesen, dass das US-Sportsystem viele effektiver wäre, weil die Amis viel mehr Medaillen gewonnen hätten. Bezieht man die gewonnen Medaillen aber auf die Bevölkerung der Länder, zeigt sich ein ziemlicher Gleichstand. Tatsächlich viel effektiver sind hier Länder wie die Niederlande, Australien, Neusseland, Norwegen, Ungarn (!), Schweiz (deren phamazeutische Industrie scheint der deutschen hier voraus zu sein!?), Schweden, …, die bezogen auf ihre Bevölkerungszahl jeweils ein vielfaches der deutschen und US-amerikanischen Erfolges hatten – aber von denen war in den Kommentaren nie die Rede. Ist das dann Denkfaulheit oder ist die Schule dran schuld, die anscheinend nicht den Unterschied zwischen absoluter und relativer Größe lehrt? Und – sollen Kommentatoren die so schreiben und Leute die so denken dann wählen gehen? Welche Folgen hat unterkomplexes Denken für eine komplexe Welt mit komplexen Problemen? Dann schon lieber „gendern“!

Eine trostlose Welt, eine kalte Welt – und ich kann als Atheist nicht mal auf Trost und Gerechtigkeit im Jenseits hoffen. Vor kurzem hatte ich wieder eine Begegnung mit der katholischen Kirche. Nach langem Bitten und Betteln kam der Pfarrer zu uns nach Hause und spendete unserem Sohn die Erstkommunion und die Firmung (das ist für schwer behinderte Kinder so möglich). Und da war es wieder – das was mich am Katholizismus so anzieht. Es sind nicht nur die Kirchenglocken, es ist nicht nur der feiertägliche Blick auf die Dorfkiche, es ist nicht nur die beeindruckende Kunst, der Barock. Es ist das „ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach“, es ist das „gib uns deinen Frieden, es ist das „so wird meine Seele gesund“. Es ist der Trost, der in diesen Worten liegt. Ich weiß, für mich sind es eigentlich falsche religiöse Versprechungen, aber darum geht es mir nicht. Es ist dieser Wunsch, sich fallen lassen zu können in einen schützenden Schoss. Es ist dieser Wunsch, nach dem Ablegen seiner Fassade – dieses ein armer Sünder sein zu dürfen (bin ich als Atheist nicht auch ein armer Sünder?), nichts darstellen zu müssen, nicht perfekt sein zu müssen – und trotzdem unbedingt angenommen zu sein. Ich habe dieses Gefühl in den letzten Jahren mehrfach in katholischen Gottesdiensten erlebt (ich weiß nicht, ob das in evangelischen Kirchen auch so zu spüren ist) und merke, dass es mich ziemlich stark anzieht. Für mich ist das ein wichtiger Punkt, der in der modernen Welt sonst fehlt und den der Mensch braucht. Ich bin nicht gläubig, aber die Riten und Gebete in denen diese Formeln gesprochen werden haben etwas sehr auto(-suggestives) an sich und sprechen mich daher unabhängig von meinem (Un)Glauben an. Ich weiß nicht, ob ich hier eine intellektuelle oder philosophische Lösung finde, dass mich so etwas trösten darf. Aber was solls, andere Leute bringen ganz andere Dinge zusammen, die sich widersprechen – und schließlich ist Ambiguitätstoleranz nicht nur eines meiner Lieblingswörter sondern eben auch eine Form der Toleranz – und Toleranz ist wichtig!

Anbei: Literarisch hab´ich auch noch was reingestellt: Die Katze und die Zwiebel , ich liebe doch Katzen und Ob Fliegen träumen , beiden wünsche ich neugierige Leser!

* Zu dem Thema möchte ich die Bücher vom Ahmed Rashid empfehlen, einem pakistanischen Journalisten und wohl einer der profundesten Kenner der Thematik. Dazu muss man aber anmerken, dass sich die Taliban in den letzten Jahren v.a. durch Schlafmohnanbau und Drogenhandel finanzieren, was sie natürlich auch nicht sympathischer macht.

**Vor einigen Jahren fand etwas Vergleichbares im Irak statt, als der IS die mit modernen Waffen ausgerüsteten irakischen Divisionen bei Mossul überrannte und deren Material übernahm. Man hätte vielleicht aus der Erfahrung lernen können?! Die Soldaten flohen oder waren nur auf dem Papier vorhanden, irgendjemand hatte aber jahrelang Sold für sie kassiert.

*** Ich habe dazu etwas im vorletzten Text geschrieben (etwa in der Mitte): … was „westliche Werte“ sind? Für mich sind es Errungenschaften wie die Demokratie, die Betonung des Eigenwertes des Individuums, die Universalität wie die Betonung der Menschenrechte, die Freiheit des Individuums, des Denkens, der Kunst und nicht (nur) der Reichtum und der Konsum. Auch das Recht zur Teilhabe und der Kritik an der Gesellschaft… usw. Es geht also eigentlich v.a. um humanistische Werte.

 

 

 

 

Es bleibt schwierig – Boris und der Rassismus

„Boris“ – was verursacht dieser Name mit Menschen, welche Assoziationen weckt er? Johnson? Becker? Boris the Spider? Palmer? Palmer? Ja, die Rassismusdiskussion ist wieder voll am Dampfen, wer hat`s gelesen? (Ich könnte hier dutzende links eingeben – das lohnt sich aber nicht, denn wenn man unter „palmer“ „aogo“ googelt kommen tausende erhellende Berichte)

Was reitet eigentlich den Oberbürgermeister einer deutschen Universitätsstadt, dass er zu solchen Äußerungen kommt? Ich habe sie gelesen und kann sie auch nicht als ironisch oder satirisch einordnen. Ist es die Profilierungssucht, welche die Borisse hier vereint? Vielleicht kommt es von daher, wenn man solche Dummheiten raushaut? Was reitet aber dann den Jens und den Dennis und den Lars und die Annalena? Na gut, der Jens hat die Nachricht an den Falschen gesendet, so ist der „Quotenneger“ aufgekommen, der Dennis wollte seine Kommentierung drastischer formulieren, so ist er bis zur „Vergasung“ gekommen. Gut, alle beide haben den medialen Tod verdient (das war jetzt sarkastisch gemint). Die Annalena – die hätte vielleicht einmal darüber nachdenken können, dass man erst den Angeklagten anhören soll, bevor man eine Verurteilung ausspricht! Immerhin, der Jens Lehmann und der Dennis Aogo haben sich ausgesprochen, Jens Lehmann hat sich entschuldigt. Und der Lars, ist der nicht Generalsekretär einer renommierten deutschen Kleinpartei? Der nimmt einfach alles mit! So bringt man die eigene Partei voran, wenn man den Grünen gleich ein „Rassismusproblem“ unterstellt.

Aber eigentlich ist es gar keine „Rassismusdiskussion“, denn es geht gar nicht um das Problem Rassismus, es geht viel mehr darum, dumme und vorschnelle Äusserungen von Menschen zu Verurteilen und sie damit  „unmöglich“ zu machen. Immerhin haben Jens Lehmann und Dennis Aogo Jobs verloren (ich denke, sie sind trotzdem nicht arm). Und bei Boris Palmer haben manche Grüne wohl lange auf die Gelegenheit gewartet, ihn abzusägen.

Natürlich sind dumme und rassistische Aussagen als solche zu verurteilen. „Trainieren bis zum Vergasen“, wie es Dennis Aogo sagte ist eigentlich nicht mal rassistisch (außer man fasst Juden als Rasse auf, so wie es die Nazis propagierten), es ist einfach nur geschmacklos und geschichtsvergessen den Tod von Menschen verharmlosend, ja als belanglos bzw. positiv zu kennzeichnen. Ich finde aber auch die überzogene, ja, hysterische Reaktion der Politkerseite bedenklich, denn sie ist Wasser auf die Mühlen jener, die ständig von der „Einschränkung der Meinungsfreiheit“ faseln. Ich habe den Eindruck, dass hier die eine Seite, die sich für die Vernünftigere hält, gar nicht merkt, wie sie die andere aufstachelt – und das halt ich für unklug. Ich will nicht, dass „Rassismus“ zu einem politischen Kampfbegriff verkommt – denn Rassismus ist eines der großen Probleme dieser Welt, dessen Verbesserung ein ernsthaftes, langfristiges Bemühen möglichst vieler verlangt.

Ich finde, dass es ein Problem unserer Zeit ist, dass wir heute mit dem Begriff „Rassismus“ nicht nur inflationär umgehen sondern auch um andere zu moralisch zu disqualifizieren und ich finde, wir müssen damit sehr vorsichtig umgehen. Mich erinnert das an die Tendenz der Antifa, jeden als „Faschisten“ zu bezeichnen, der ihrem (engen, eingefahrenem) Weltbild nicht entsprach. Und weil mir diese ideologische, inflationäre Verwendung dieses Begriffes Bauchschmerzen verursachte, verwandelte sich meine ursprüngliche Sympathie für die Antifa in meine heutige Ablehnung. Noch ein Beispiel: Ich las vor kurzem von einem älteren Herrn, der in einem Laden eines bekannten deutschen Discounters vor zwei dunkelhäutigen Menschen mehrmals demonstrativ den Begriff „Negerkuss“ verwendete. Ich denke, dass dieser Herr kein Rassist ist. Er ist zwar offensichtlich sehr unsensibel und unfähig, sich in eine andere Person hineinzuversetzen, aber wahrscheinlich ging es ihm darum, seinen Ärger darüber öffentlich auszudrücken, dass er diese Bezeichnung mit der er, wie ich, aufgewachsen ist, auf einmal nicht mehr verwenden sollte, weil sie rassistisch sei. Ich denke, er empfindet dies als eine Bevormundung, als Abwertung seiner Person durch andere, die sich hier moralisch über ihn stellen – und darauf reagieren Menschen allergisch. Der Discounter entschuldigte sich anschließend für den Zwischenfall, das Problem bleibt. Wahrscheinlich hat der alte Mann keine Einsicht gewonnen sondern fühlt sich seinerseits genötigt und gedemütigt – und er wird viele Menschen finden, die ihm verbittert Beifall klatschen, das Problem wird eskalieren. Das ist natürlich meine Spekulation, aber es ist die Gefahr, die ich sehe. Eine andere Lösung wäre gewesen, sich zusammen zusetzen, sich kennenlernen, miteinander zu reden. Ich denke, es gibt kein besseres Mittel als das gegenseitige Kennenlernen. In dem Fall so etwas, wie eine Mediation, die es ermöglicht Schuldzuweisungen zurückzustellen und das Gegenüber und seine Motivation und seine Ängste kenne und verstehen zu lernen. Aufgabe der Politik wäre es hier zu verbinden, zu kommunizieren und Ebenen und Möglichkeiten zu schaffen damit sich die Menschen besser kennen und verstehen lernen – und zwar ohne schulmeisterlichen oder moralisierenden Impetus. Wir müssen nun einmal alle in diesem Land zusammenleben – und das kann nur gelingen, wenn man versucht, möglichst viele Menschen für diese Gesellschaft zu gewinnen. einzubinden und den Zentrifugalkräften entgegenzuwirken.

Ich weiß, die „Identitätsdebatte“ ist voll am Dampfen (auch hier könnte ich viele links einfügen – als Humanist, nehme ich einen vom hpd) und ich befürchte, dass die Linke (nicht Partei, die „gesellschaftliche Linke“), durch die rigide, moralisierende Behandlung Anderer und derer Ansichten, diese Menschen abstößt und in die Arme der „Rechten“ treibt. Und das können wir uns nicht leisten. Ich halte es auch für problematisch, in einer Zeit von Hasskommentaren und „Shitstorms“ auf eine solche Art auf mediale Dummheiten zu reagieren. Mich stößt die undifferenzierte Unbarmherzigkeit der Reaktionen darauf ab, sie führt nur zu noch stärkerer Polarisierung. Warum bleiben wir nicht gelassener, differenzierter, versuchen mehr und offener miteinander zu reden? Wie kann man Rassismus bekämpfen, wenn man viele Menschen mit solchen Reaktionen abstößt? Wie kann man eine menschlichere Gesellschaft erreichen, wenn man den „Dummheiten“ und Schwächen der Menschen, mit so einer Unbarmherzigkeit begegnet?

Ich habe zu dieser Thematik ja schon einmal einen längeren Text (Jetzt-hab-ich-einen-tollen-Artikel-gelesen-Ueber-Gleichheit-Gleichwertigkeit-und-politische-Korrektheit) geschrieben. Jetzt habe ich einen über die Frage geschrieben, ob Immanuel Kant Rassist war, wie es in letzter Zeit immer wieder diskutiert wurde. Für mich ist das eine zentrale Frage, weil ich Kant einen wesentlichen humanistischen Ethiker unserer Zeit halte und ich ein Problem damit hätte wenn er Rassist wäre. Der zweite Teil des Textes widmet sich der Frage wie Handlungen im historischen Kontext überhaupt moralisch zu bewerten kann. Das betrifft dann eher den Herrn Bonaparte, der seinen 200. Todestag feiert oder auch den Herr Cäsar, dessen „Memoiren“ (de bello gallico) immer noch völlig unkritisch als Klassiker an den Schulen gelehrt wird.

Und „Boris the Spider“? Der ist natürlich schon lange tot, ein Opfer von  antiarachnischem Rassismus. Sein Mörder – John Entwhistle – ist auch schon lange tot. Schade, denn es gab nur wenige Musiker mit so viel Humor. Und es war nicht nur sein Humor, so wie er etwa in „My Wife“ zum Ausdruck kommt, der ihn auszeichnete, es war auch seine große Sensibilität und Tiefe.  Der Song „Trick of the Light“ lässt mich seit über 35 Jahren nicht mehr los. War es am Anfang eher die Härte, der Druck, die Gitarre und die Dynamik, die Droge des Hardrocks, so ist es inzwischen immer mehr der Inhalt, den ich sehr viel später zu versetehen begann. Jedes Mal, wenn ich diesen Song höre bekomme ich Gänsehaut. Wem die Musik zu hart ist, der muss sich den Text durchlesen. Er ist von einer ergreifenden lyrischen Kraft – ich wünschte mir ich könnte Ähnliches in einem Gedicht ausdrücken.

Um es mit Walter Giller zu sagen: Es bleibt schwierig!

P.S.: Blase Gedicht über die Atomisierung unserer Welt

P.P.S.: Mir sind da noch ein paar Gedanken gekommen was mein tieferes Anliegen betrifft. Dass Rassismus zu verurteilen und abzulehnen ist eigentlich selbstverständlich. Ich glaube, es geht um die Frage, was „Täter“ treibt, weil ich glaube, dass es nur möglich ist, dagegen anzugehen und damit umzugehen, wenn man sich offen mit deren Motivation beschäftigt. Ich denke, es geht hierbei sehr darum – diese Menschen ernst zu nehmen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, ihre Ängste und Frustration zu begreifen. Ich denke es geht hier auch um das Gefühl vieler dieser Leute, dass andere, die oft sozial besser gestellt sind, sich über sie stellen wollen und sich als moralisch „besser“ darstellen. Ich denke, daher haben so viele Leute auch ein Problem mit Greta Thunberg und der Fridays-for-future-Bewegung oder Veganern – oder den Grünen. Sie nehmen diese als Kräfte wahr, die sich als „etwas Besseres begreifen, sich als moralisch überlegen darstellen und uns etwas wegnehmen wollen“. Und viele dieser Menschen denken sich, „ich habe so viele Probleme, warum kümmert sich die Politik denn nicht darum? Ich habe z.b. als „Ossi“ in meinem Leben Brüche und Zurücksetzung erfahren müssen – und jetzt soll ich der „Böse“ sein, der „Rassist“ sein?

Es geht um also die ernsthafte Wahrnehmung der Gefühle, der Frustration und der Ängste vieler (solcher) Menschen. Ich fürchte, dass viele „Linke“ (also eigentlich die „gute“ Seite, die sich um soziale Gerechtigkeit kümmert) diese Leute nicht mehr wahrnimmt und ernst nimmt bzw. es zumindestens so rüberkommt, weil es in den öffentlichen Debatten kaum mehr eine Rolle spielt (ich glaube, etwa Sahra Wagenknecht, schreibt hier ganz ähnlich). Und ich fürchte, dass das dazu führt, dass sich viele dieser Menschen dann dem rechten Rand zuwenden – der diese Frustrationen und Ängste aufnimmt und aggressiv populistisch formuliert. Ich schreibe das mal so: „wenn ich ein Rassist bin, weil ich „Negerkuss“ sage, dann könnt ihr in mir einen Rassisten haben! Dann wähl ich auch die Rassisten! So eine Art „böser-Buben-Effekt“, ein Trotzeffekt: bezeichnest mich als „bösen Buben“ – dann bin eben einer! Ich bin kein Psychologe, aber ich bin davon überzeugt, dass solche Zuschreibungeffekte eine große Rolle spielen – und wenn man dieses Verhalten als „dumm“ und „kindisch“ abtut, dann überhöht man sich ungerechtfertigterweise über diese Person – und erzeugt so erst recht Aggression.
Ich denke, dass dieser Effekt nicht unwesentlich zur Wahl von Donald Trump beigetragen hat – mit all ihren katastrophalen Folgen für die Welt (die momentanen Zustände in Israel/Gazastreifen hängen durchaus eng damit zusammen). Ich mache mir große Sorgen um unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt, unsere Demokratien und ich glaube, dass die derzeitige Identitätsdebatte verheerend ist, weil sie die demokratische Linke auseinanderdividiert und etwa notwendige Debatten um die Verteilung des Wohlstands in unserer Gesellschaft verschleppt.