An Fasching fängt der Krieg an …

Gedanken zum 24.2.2022:  … wenn der Krieg an Fasching anfängt

Gestern ging ich um viertel nach 6 zum Bäcker und freute mich über das prächtige Morgenrot, welches im Osten aufstieg. Nach einem langen Winter ein strahlendes rot-orangenes Band. Das Wetter war mild und ich dachte, dass ein langer, sehr grauer Seuchenwinter vorüber geht. Ab jetzt ist es jeden Morgen wenn ich zum Bäcker gehe nicht mehr finster. Und ich dachte daran, ob und wie ich dieses Morgenrot in ein Gedicht fassen könnte.

Wieder zuhause, schaute ich dann ins Internet und las von den Angriffen auf die Ukraine und Explosionen von Raketen bei Kiew. Ich war vollkommen geschockt, fassungslos und mir kam sofort die Assoziation zwischen dem Rot im Osten und den Flammen des Krieges. Sicher, ich hatte mit dem Schlimmsten gerechnet, aber es ist etwas anderes, wenn es dann wirklich los geht. Es ist nicht nur der Schock über die Kämpfe an sich – es ist dieses Gefühl der ohnmächtigen Wut. Unsere Kinder hatten sich verkleidet, sie wollten ein bisschen Fasching feiern in der Schule und nun der Kriegsbeginn. Ich dachte daran, ob es überhaupt noch zu rechtfertigen ist unter diesen Umständen zu feiern, ist es nicht geschmacklos, Ausgelassenheit zu zeigen und hielt dann an mich: Es sind ja Kinder – sie haben zwei Jahre Ausnahmezustand hinter sich – sie haben jedes Recht auf Freude – ich gönne es ihnen so.

Wahrscheinlich wusste das der einsame Herrscher im Osten nicht als er seinen Knechten befahl den Abzug zu drücken. Wahrscheinlich wusste er nicht, dass in seinem Land viele Menschen an den mangelnden Lebensumständen leiden, ihre Miete kaum zahlen können. Wahrscheinlich wusste er nicht, dass auch in seinem Land noch eine Pandemie herrscht die die Menschen bedroht. Wahrscheinlich wusste er auch nicht, dass diese Welt vor riesigen Herausforderungen wie der Klimakrise steht. Wahrscheinlich wusste er nicht, dass man von Nationalismus nicht abbeißen kann, wahrscheinlich weiß er nicht, dass in seinem Krieg Menschen sterben, vertrieben werden, entrechtet werden …er wird ja nur die Meldungen glanzvoller Siege zu sehen bekommen.

Ich werde sarkastisch, ich will nicht sarkastisch werden … aber wie gehe ich mit meiner Trauer, meiner Wut und meiner Ohnmacht um? Ich weiß es nicht – es wird irgendwie weitergehen müssen, meine Kinder haben ein Recht auf ihre Zukunft. Mir fällt nur ein, dass es wichtig ist jetzt und immer für die Zukunft dieser Kinder vorzusorgen. Und das schließt für mich ein, dass wir uns wehren gegen jede Form von Diktatur und Gewalt und sie und uns dafür sensibilisieren die so glitzernde Fassade die sie vorspielen, wie jetzt in Peking oder bald in Qatar zu durchschauen. Dass wir uns dafür sensibilisieren, mit wem wir Geschäfte machen und welche Werte diese Geschäftspartner vertreten. Das schließt ein, dass wir sie dafür sensibilisieren rücksichtsvoll miteinander umzugehen und die Not der anderen nicht zu übersehen. Und dass wir versuchen Erpressungen von Ohnmächtigen und Kleinen durch Mächtige und Große nicht mehr zu dulden, nicht mehr wegsehen – und sei es auf dem Pausenhof. Sehen wir zu, dass es in Zukunft nicht mehr zu spät sein wird um Einzugreifen sondern treten wir den Anfängern entgegen.

Ich weiß, das ist kein Patentrezept und das wird die einsamen Herrscher im Osten nicht interessieren aber viele von uns – und unsere Kinder werden sie überleben und unsere Kinder haben ein Recht auf eine gute Zukunft in Freiheit und ohne Angst und Unterdrückung .

Ich habe zu dem Thema noch ein Gedicht geschrieben, es heißt 5000 Helme und ich möchte noch auf eines aufmerksam machen, das stammt von Marko Ferst es heißt „Szenario der Macht„.

Ich habe gelesen, dass die Ukraine inzwischen doch Waffen geliefert bekommen soll – damit wäre natürlich das Gedicht von den 5000 Helmen hinfällig. Als ich diese Nachricht gelesen habe, ist mir spontan der alte baierische Spruch eingefallen: „Wia da Schimme doud is gwen, ham´s eam an Schippe Hei fürgehm – ned das d´Laid song: z´wengs da Noud war da Schimme doud.“

Ja, und viele „Putinversteher“ zeigen sich nun betroffen und reuig, Gerd Schröder hat sicher genug Anstand, um das Russlandgeschäft für zwei bis drei Wochen ruhen zu lassen – bis sich die Lage beruhigt und die Leute zu ihren Routinetätigkeiten auf Instagram zurückgekehrt sind. Auch Frau Wagenknecht ist betroffen, wenn echte Menschen getötet werden. Mir macht das Hoffnung, weil mir denke in fünfzig Jahren werden viele Leute auf die Folgen des Klimawandels zurückblicken und sagen:  „wenn wir das so schon vorher gewusst hätten …“.

Ich frage mich auch, ob der einsame Mann im Kreml bedacht hat, wie es nach der Entwaffnung des Brudervolks weitergeht. Mir fällt da der alte Nazispruch „und willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein“. Meint er, dass er wieder abziehen kann und die Ukrainer froh über ihre Befreiung ein Denkmal für ihn errichten? Meint er, dass die Versorgung eines so großen Landes nach einem Krieg keinen Aufwand bedeutet? Meint er dass er die Kontrolle durch kremltreue Beamte, Polizisten und Besatzungssoldaten aus dem Stegreif stemmt die er aus der Portokasse bezahlt?

Was mir noch kommt sind die Parallelen zum Dritten Reich, dem Überfall auf Polen und die Zeit davor. War da nicht auch die Rede, vom Genozid an Deutschen in Polen, so wie es jetzt die russische Seite in die Welt setzte? Davon, dass die Juden es schaffen würden, die Völker in den Krieg zu hetzen und dass seit 5 Uhr 45 zurückgeschossen wird nachdem polnische Einheiten in Deutschland eingedrungen wären. Davor eine Phase, in dem dem Gegner das politische unnd menschliche Existenzrecht abgesprochen wird. Eine alte Strategie: Wenn der Gegner kein Mensch ist sondern ein Nazi (wie offenbar die Ukrainer *) oder ein drogensüchtiger Clown, wie der Ukrainische Präsident Selenskyj, dann darf man ihn töten. Nein, ich möchte keine Nazivergleiche anstellen, es geht mir nur um die unglaubliche Perfidie mit der man jemand anderem die Schuld am Krieg in die Schuhe schieben will, den man selbst vom Zaune bricht. Auch damals ging es um Unrecht, dass den Deutschen nach dem ersten Weltkrieg zugefügt wurde (wahrscheinlich die größte geopolitische Katastrophe für den Herrn Hitler) und die Revision einer Friedensordnung. Nicht zu vergessen, dass der Herr Stalin dankbarerweise den Ostteil von Polen besetzte – da es ein Staat war, der in seinen Augen keine Existenzberechtigung hatte – und dazu noch die Bukowina von Rumänien besetzte und Finnland angriff. Davor fanden die Verhandlungen in München über die Zerschlagung der Tschechoslowakei statt. Die naive britische Appeasementpolitik, die Demütigung, ist heute sprichwörtlich. Ich glaube, Chamberlain war nicht so naiv wie viele deutsche Politiker heute – er wusste genau, dass die britische Armee zu diesem Zeitpunkt nicht gegen die Wehrmacht bestehen konnte. Ich erinnere mich, dass in einer Radiosendung der bayerischen Rundfunks am 22.2. mehrere Anrufer noch die russische Seite verteidigt hatten, da gab es z.B. genau dieses Argument, dass die Ukrainer ja einen Genozid an den Russen planten. Außerdem, dass die Ukraine ein „unsympathischer Unrechtsstaat“ sei in dem nur Oligarchen und Korruption regieren und dessen Existenzrecht daher in Frage gestellt wurde. Ich hab dann gegoogelt. Die Ukraine ist im Weltkorruptionsindex einer Aufstellung von Transperency International auf Platz 117, das ist in der Tat sehr schlimm  (je schlimmer, desto weiter hinten) – Russland auf Platz 139!

Mir fällt überhaupt auf, dass bei vielen fast nie die russischen Aggressionskriege ** thematisiert werden, wieviele Gebiete erobert und russifiziert wurden, wieviele Staaten besetzt und ihrer Rechte beraubt wurden – sondern nur die amerikanischen. Was ist mit der Eroberung des Kaukasus und von Zentralasien, mit der Kolonialisierung dieser Gebiete? Der Kenianische UN-Botschafter hat ja eine sehr beeindruckende Rede gehalten – über die Folgen von Kolonialpolitik und den Frieden- und Russland ja heute noch Kolonialmacht (die einzige neben Altbaiern, welches ja die Franken knechtet). Die Erfahrung der osteuropäischen Staaten mit Russland und der Sowjetunion sind verheerend! Wie kann man das vergessen? Leugnen? Diese Grßmachtsbestrebungen, diese imperialen Phantomschmerzen des eingebildeten Zaren erinnern mich frappant an den Schlusssatz der „Qualtinger“-Lesung von mein Kampf, das hysterisch in die Welt gebrüllte: „Deutschland wird entweder Weltmacht oder überhaupt nicht sein!“(der Ländername wäre hier auszutauschen).

In der Psychologie sagt man immer, wenn sich jemand immer nur von Feinden umgeben sieht, dann sollte er mal über seine Persönlichkeitsstruktur nachdenken … aber Psychologie spielt in der Politik natürlich keine Rolle.

Kurzer Themenwechsel zum Sport: Die olympischen Winterspiele sind zu Ende und möglicherweise hat Putin ja nicht früher angegriffen um seinem guten Freund Xi nicht das schöne Fest zu verderben (wobei ich mir immer denke, für den Herrn Xi ist der Herr Putin wohl nur ein nützlicher Idiot – ich weiß aber nicht wie der Herr Putin das sieht). Ich habe ja schon viel über Katar und den Fussball geschrieben. Im Vorfeld ist ja auch über Boykott nachgedacht worden. Ich finde, den Athleten den Boykott  zuzumuten unzumutbar – warum aber machen die Fernsehzuschauer denn keinen Boykott? Ist das den Millionen Sesselsportlern nicht zuzumuten? Sehr erstaunlich in diesem Zusammenhang ein Kommentar in dem der Medaillenspiegel als Farce. War das jemals anders? Wenn man den Medaillenspiegel im Verhältnis zur Bevölkerung hat man nämlich auf einmal Sportsupermächte wie Norwegen oder Australien. Sind die Norweger und Australier denn wirklich so viel zigmal sportlicher als alle anderen? Oder könnte das was mit der Anzahl der Wettbewerbe (wieviel Schwimm- oder Langlaufmedaillen gibt es im Vergleich zu einer Massensportart wie etwa Fussball und der Zahl der Sportler in diesen Bereichen) in manchen Sportarten und vor allem mit der massiven Sportförderung zu tun haben. Eigentlich ist das Ganze vollkommen witzlos! Da lobe ich mir das bevölkerungsreichste Land der Welt (ich glaube das ist Indien) – oder so ein Land wie Brasilien! Bezogen auf die Bevölkerung hoffnungslos hinten im Medaillenspiegel … wie sympathisch, ich liebe sie dafür!

Achja, und der Herr Abramovic, Oligarch und enger Putinfreund droht sein Spielzeug, den FC Chelsea zu verlieren – das sind die Dramen unserer Zeit. Der deutsche Chelseatrainer Thomas Tuchel ist sehr besorgt – dafür eine echte runde Mitleid! Ich glaube zu einer Runde Mitleid mit der Ukraine hat er sich noch nicht hinreissen lassen. Im Gegensatz zur Tochter von Herrn Abramovic! Ja, im Sport kommen die besten Seiten des Menschen zum Vorschein!

 

Zwei Sternchen:

* Ich bin ja ein großer Kabarettfan und als solcher erinnere ich mich noch sehr gut an die Diffamierung der ukrainischen Demokratiebewegung als Nazis durch Kabarettisten wie Helmut Schleich, Rainer Uthoff und Claus von Wagner. Diese liefern dann natürlich sogleich ihren legendären Faktencheck – aber ich fand es schon damals unerträglich.

** die Liste im link, das sind natürlich nicht alles Aggressionkriege, man möge aber Bedenken, dass im z.B. im ersten Weltkrieg Russland als erste Großmacht die Mobilmachung anordnete und die russischen Truppen sofort nach Kriegsbeginn mit einer massiven Invasion nach Deutschland und Österreich-Ungarn begonnen haben. Und anbei noch ein interessanter link, der die Rolle der Sowjetunion im spanischen Bürgerkrieg beleuchtet.

Man möge mir meinen Sarkasmus in manchen Punkten verzeihen – aber vieles ertrage ich nur so. Schließlich kommt der Frühling und Corona scheint uns nun bald doch mal (zumindestens für eine Weile) in Freiden zu lassen. Hoffen wir als auf ein schönes Frühjar und dass die Magnolienblüten dieses Jahr nicht erfrieren…

 

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