Der Papst, der Herr Putin und der Herr Seehofer

Der Papst, der Herr Putin und der Herr Seehofer

oder:  Werte, Werte, Werte …

Mein Gott, wie die Zeit vergeht – es ist schon Januar, der zweitunbeliebteste Monat der Deutschen – zu seiner Ehrung ein Gedicht. Und die fünfte Welle droht – ein deja vú. Ein Blick in die Zeitung – wieder ein deja vu: Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche, diesmal soll der Ratzinger was damit zu tun gehabt haben. Gähn, warum wundert mich das nicht? Wo soll da der Neuigkeitswert sein? Immerhin hat er gesagt, er wolle für die Opfer beten. Da werden sich die Opfer freuen.

„Des Johr gähd scho wieder guad los“ …hätte wohl Matthias Kneißl gesagt. Trotzdem wünsche ich allen Lesern natürlich ein gutes neues Jahr!

Ein weiterer Blick: Seehofer soll Berichte des Verfassungsschutzes über die AfD beschönigen lassen haben?! Das erstaunt mich dann doch, ich habe eigentlich immer viel vom Herrn Seehofer gehalten, ja, …lang ists her. In diesem Zusammenhang taucht unwillkürlich die Hackfresse von Hans-Georg Maaßen in meinem Gedächtnis auf. Ich bedauere den Ausdruck „Hackfresse“, denn ich bin ja Humanist und will mich nicht dem allgemeinen Niveau des Internets anpassen. Aber diese Brille, die finde ich irgendwie typisch – den eingeschränkten Scharfblick betonend.

Und dann kommt Putin und die Ukraine. Jetzt nichts Falsches schreiben! Ich gehe noch mal googeln. Als latenter Feminist lande ich auf der Seite von Emma (tatsächlich! Ich weiß nicht mehr warum) – dort steht ein erhellender Bericht: Der Westen hat 2001 die ausgestreckte Hand des Herrn Putin zurückgewiesen. Wusst´ ich´s doch, der Westen ist schuld! Herr Putin hat durch dieses traumatische Kindheitserlebnis (damals war er erst ein Jahr an der Macht) den Glauben an das Gute im Westen verloren und hat sich zwangsläufig so entwickeln müssen. Die meisten Neonazis hatten auch eine schwere Kindheit und auch die Islamisten. Nein, ich will nicht noch ätzender werden und viele Putin-Versteher sind sicher Menschen mit ehrenwertem Hintergrund. Die Deutschen sollen sich auch nicht anmaßen, über Russland zu urteilen, nach 1941! Es sind damals zwar anteilsmäßig mehr Weißrussen (darf man das noch schreiben?) und Ukrainer umgekommen, aber sei´s drum. Der Ukrainer ist ein Nazi (wahrscheinlich hatte er auch eine schlechte Kindheit unter dem Herrn Stalin) und daher nicht fähig, ein Staatswesen aufzubauen, das es Wert wäre es so zu nennen … oder gar dafür einzustehen.

Weil mir vorher die „Hackfresse“ eingefallen ist, beim Herr Putin kommt mir bezüglich seines Umgangs mit der Ukraine immer das Bild eines alten Machos, der seine „Ex“ grün und blau schlägt, weil sie einen anderen angeschaut hat.

Zu meinem „Ätzausbruch“ vorher: Mich wundert es eigentlich, dass die Tendenz russischen Imperialismus und russische Aggression zu verharmlosen, ja zu negieren oft aus der linken Ecke kommt. Bei der AfD wundert es mich nicht, die Vertreten ein ähnliches Weltbild wie der Herr Putin – und werden wahrscheinlich auch durch diesen gefördert (bei der AfD bin ich mir unsicher, aber andere rechte Parteien wie der Front National haben Unterstützung aus Russland erhalten). Ich habe immer den Eindruck, da herrscht noch dieser alte Glaubensatz vor: Die Amis sind die Wurzel allen Übels. Um nicht missverstanden zu werden: Im Namen der USA bzw. der US-Außenpolitik wurden katastrophale Fehler begangen und unsägliche Regime unterstützt. Aber die Amis haben kein Patent auf Imperialismus. Und die Parolen von der Schuld des Westen sind ähnlich unterkomplex (mein Lieblingswort!) wie viele dieser zu einfachen Welterklärungsmodelle. Ich finde gerade dieses Welterklärungsmodell fast rassistisch, weil es unterbewusst der Vorstellung folgt, nur „der Westen“ sei zu eigenständigem politischen Handeln fähig.

Wenn ich alle drei Zeitungsmeldungen vergleiche komme ich zu meiner alten These, dass es fatal ist, nicht zu seinen Werten zu stehen, weil es die Glaubwürdigkeit vollkommen unterminiert. Sei es der Verrat von Herrn Seehofer an den Aufgaben seines Amtes als Innenminister indem er rechtsradikale Tendenzen verharmlost. Sei es der Herr Ratzinger, der Täter deckt und damit seine propagierten christlichen Werte, wie die Nächstenliebe verrät. Seien es diejenigen, die im Ukrainekonflikt die Schuld dem Westen zuschreiben und damit das Regime des Herrn Putin exkulpieren.

Das hat wiederum die Folge, dass sowohl die eigene Gesellschaft das Vertrauen in die Politik (bzw. Kirche) verliert als auch dass Menschen anderer Länder, die auf Werte wie Demokratie, Menschenwürde und eine freiheitliche, zivile Gesellschaft hoffen enttäuscht werden. Wie blind muss man sein, um das nicht zu sehen? Ich verstehe auch nicht, warum man die Opposition in Russland so im Regen stehen lässt. Es sind – trotz staatlicher russischer Propaganda und stark eingeschränkter Pressefreiheit sehr viele Russen nicht mit dessen Regime einverstanden. Was mögen Weißrussen oder Syrer denken, die für ihr Eintreten gegen die Diktatoren, die von Putin gestützt werden Folter und Verfolgung ausgesetzt sind – wenn viele im Westen kein Problem mit dessen Regime haben? Warum setzt man daher so oft das „Putin-Regime“ mit „Russland“ gleich? Warum nimmt man es fast protestlos hin, wenn der Herr Putin Oppositionelle im Inland einkerkert, im Ausland töten lässt? Wie kommt man darauf, in dem Fall auf den Herrn Assange hinzuweisen – wie wenn der eine Fall die anderen entschuldigen würde? Warum zeigen sich manche politischen Kräfte oder Vertreter, die sonst sehr fortschrittlich denken, sich für eine offene und gerechte Gesellschaft einsetzen ausgerechnet diesem Autokraten gegenüber so blind?  Manchmal kommt dann noch der halbherzige  Halbsatz: „Ich habe ja nicht gesagt, dass ich den Herrn Putin gut finde“ – etwa vom Anstaltskabarretisten Rainer Uthoff – aber der liefert dann einen „Faktencheck“ hinterher (Wie armselig muss Kabarett sein, wenn es einen Faktencheck benötigt?)

Mich lässt diese Diskussion fassungslos, entsetzt und wütend zurück, aber ich habe ja nur eineinhalb Liter Hirn zur Verfügung, da passt einfach vieles nicht mehr rein …

Dunkel erinnere ich mich, dass wir eine Pandemie haben, dass die Klimaerwärmung ungebremst weitergeht, das täglich Arten für immer von der Erde verschwinden, dass jedes Jahr weltweit über eine Million Menschen an multiresitenten Keimen sterben, dass … wären das nicht die eigentlichen Probleme, die es anzupacken gilt? Müssten dazu nicht Institutionen wie die EU oder die UNO zusammenarbeiten? Wo ist Greta? Warum müssen wird die Aufmerksamkeit stattdessen diesen drei alten Männern widmen?

Trotzdem hab ich ein bisschen was geschrieben, so hab ich mich in konkreter Poesie versucht und ein paar Kurzgeschichten geschrieben. Zu Zweien hier ein Link: „Knochen im Garten“ und „Goiabada„. Die erste Geschichte besteht aus mehreren Kapiteln -man muss also weiterklicken.

Ein kleines p.s. zum Herrn Putin: Ich weiß nicht, ob das so der Realität entspricht, aber es ist schon der zweite Artikel, den ich gelesen habe, der in diese Richtung geht. Ich denke schon, dass es ein großes Problem autoritärer Führungen ist, dass sie in einer „Blase“ von Jasagern leben und somit den Kontakt zur Realität verlieren. Das wirft man unseren Politikern zwar auch vor – aber jeder bei uns hat die Möglichkeit, in eine Bürgersprechstunde zu gehen – oder diese Politiker wieder abzuwählen.

Noch ein Gedanke: Ist das Gezänk um Nortstream2 und die Abhängigkeit vom russischen Gas nicht ein schlagendes zusätzliches Argument um sich endlich aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu befreien? Durch die diese Abhängigkeit sind wir doch immer wieder in der Gefahr, von autokratischen Regimen erpressen zu lassen…

 

 

 

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